COVID-19: Niedriges Testosteron könnte Hospitalisierungsrisiko von Männern erhöhen

St. Louis/Missouri – Männer mit einem Testosteronmangel haben möglicherweise ein erhöhtes Risiko auf einen schweren Verlauf von COVID-19. Dies kam in einer Beobachtungsstudie in JAMA Network Open (2022; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.29747) heraus. Nach einer Testosteronsubstitution war kein erhöhtes Risiko nachweisbar.
Zu Beginn der Epidemie wurde vermutet, dass das Geschlechtshormon Testosteron dafür verantwortlich ist, dass Männer häufiger an COVID-19 erkrankten und daran starben. Schwedische Urologen haben sogar in einer randomisierten Studie versucht, Männer durch eine Androgendeprivation vor einem schweren Verlauf zu schützen. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, als sich herausstellte, dass die Behandlung mit Enzalutamid die Prognose der Patienten deutlich verschlechterte (European Urology, 2022; 81: 285-293).
Inzwischen gilt eher ein niedriger Testosteronwert als Risikofaktor für einen schweren Verlauf. Sandeep Dhindsa von der St. Louis University School of Medicine und Mitarbeiter hatten in einer früheren Studie in JAMA Network Open (2021; 4: e2111398) zeigen können, dass auffällig viele Männer, die mit COVID-19 im Krankenhaus behandelt wurden, einen Testosteronmangel hatten.
Die niedrigen Testosteronspiegel korrelierten zudem mit einem Anstieg der Entzündungswerte der Patienten. Die Studie konnte allerdings nicht ausschließen, dass die niedrigen Testosteronwerte eine Folge der Erkrankung waren. Deshalb hat Dhindsa in der aktuellen Studie die Daten von 723 Männern mit COVID-19 ausgewertet, bei denen die Testosteronwerte überwiegend vor der Erkrankung bestimmt wurden. Der Grund für den Labortest war der Verdacht auf einen Hypogonadismus gewesen.
Die Analyse ergab, dass 52 von 116 Männern (45 %) mit niedrigen Testosteronwerten im Krankenhaus behandelt werden mussten. Von den 427 eugonadalen Männern wurden dagegen nur 53 (12 %) wegen COVID-19 hospitalisiert. Dies ist ein deutlicher Unterschied. Dhindsa ermittelt eine Odds Ratio von 5,7, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 3,6 bis 9,1 signifikant war.
Es stellte sich allerdings heraus, dass Männer mit Testosteronmangel älter und häufiger adipös waren sowie Begleiterkrankungen und/oder eine Abwehrschwäche hatten. All dies sind bekannte Risikofaktoren für einen Hypogonadismus. Die Berücksichtigung dieser Faktoren (plus der ethnischen Herkunft) führte dazu, dass die Odds Ratio auf 2,4 (1,4-4,4) sank. Dies wäre immer noch ein deutliches Risiko, das die Frage aufwirft, ob eine Testosteronsubstitution Männer vor einem schweren Verlauf schützen könnte.
Tatsächlich hatte es in einer Gruppe von 180 Männern, bei denen eine Testosteronbehandlung (aus anderen Gründen) begonnen wurde, nur 29 Hospitalisierungen (16 %) wegen COVID-19 gegeben. Dhindsa ermittelt eine adjustierte Odds Ratio von 1,3, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,7 bis 2,3 nicht signifikant war.
Dennoch kann eine Beobachtungsstudie nicht beweisen, dass eine Behandlung mit Testosteron hygogonadale Männer vor einem schweren Verlauf von COVID-19 schützen kann. Dies müsste zunächst in einer randomisierten Studie belegt werden.
Die Substitution mit Testosteron steht zudem im Verdacht, das Risiko von Herz-Erkrankungen und Prostatakrebs zu erhöhen. Der Zusammenhang mit kardialen Erkrankungen wird derzeit in einer großen klinischen Studie untersucht, deren Ergebnisse demnächst vorliegen sollen.
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