Urteil zu Honorarnotärzten wirft Versorgungsprobleme auf

Kassel/Schwerin – Die Beschäftigung von Honorarnotärzten auf Rettungswagen ist in Mecklenburg-Vorpommern nach einem Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG, Az.: B 12 R 19/15 B) in bisheriger Form künftig nicht mehr möglich. Die Richter in Kassel bestätigten ein Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern, das die Beschäftigung als Scheinselbstständigkeit eingestuft hatte (Az: L7R60/12), wie heute bekannt wurde. Im konkreten Fall geht es um den Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Mecklenburg-Vorpommern.
Nach Angaben des Rechtsvertreters des DRK, BDO Legal, dürfen damit ab sofort in dem Bundesland keine Honorarnotärzte im Rettungsdienst mehr beschäftigt werden. Sie müssten sozialversicherungspflichtig angestellt werden. Fraglich sei, ob Ärzte, die den notärztlichen Rettungsdienst bisher neben ihrem eigentlichen Job übernähmen, dazu bereit seien. Auch seien Konflikte mit dem Arbeitszeitgesetz zu befürchten.
Der Fachanwalt für Medizinrecht bei BDO Legal, Stephan Porten, macht über die Landesgrenzen von Mecklenburg-Vorpommern hinaus auch bundesweite Konsequenzen aus. Das Bundessozialgericht habe klargemacht, wie es auch in vergleichbaren Fällen entscheiden würde, sagte er. „Es muss jetzt davon ausgegangen werden, dass die Sozialversicherungsträger die Entscheidung des BSG zum Anlass nehmen, die Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten jetzt ebenso in anderen Bundesländern gerichtlich durchzusetzen“, sagte er.
In Mecklenburg-Vorpommern wird BDO Legal zufolge der Rettungsdienst bisher ganz überwiegend mit Honorarärzten abgedeckt. Trägern drohen deftige Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen: Laut Porten sind bereits mehrere Verfahren vor Sozialgerichten im Nordosten anhängig.
Aus Sicht des Deutschen Landkreistages führt die Entscheidung des BSG im Grunde „zu keiner neuen Rechtslage“. Es sei um die Frage gegangen, ob die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht M-V zulässig war. Letztlich bleibe es damit bei der „unbefriedigenden Situation, dass viele Träger des Rettungsdienstes, vor allem auch Landkreise, Krankenhäuser sowie Hilfsorganisationen, nicht wissen, ob sie weiterhin Notärzte auf Honorarbasis und ohne Bestehen einer Sozialversicherungspflicht beschäftigen können“, sagte Markus Mempel, Sprecher des Landkreistags, auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblatts (DÄ). Da das deutsche Notarztsystem historisch hierauf aufbaue, sei das „eine schwere Bedrohung der in den Landkreisen bestehenden unterschiedlichen Systeme und damit der notärztlichen Versorgung vorwiegend im ländlichen Raum“.
Der Deutsche Landkreistag fordert von der Bundesregierung, dass Gesetzesänderungen erfolgen, die den Gestaltungsspielraum für die Träger des Rettungsdienstes bei der Beschäftigung von Honorarärzten erhalten. „Das kann eine Ausnahme für Notärzte im Sozialversicherungsrecht sein, aber wir sind auch jederzeit zu Gesprächen über andere Lösungsmöglichkeiten bereit“, erklärte Mempel. An diesen seien auch die gesetzliche Krankenversicherung als Kostenträger des Rettungsdienstes sowie die Länder zu beteiligen. Mempel betonte, durch die BSG-Entscheidung sei der „politische Handlungsdruck“ gestiegen. Man erwarte „kurzfristig Vorschläge seitens der Bundesregierung“.
Eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht für Honorarnotärzte sieht auch der Bundesverband der Honorarärzte (BV-H) als einen möglichen Lösungsweg an. Ein Modell könne jedoch auch eine Genossenschaft für Honorarärzte sein, in der sich Notärzte für den Rettungsdienst organisierten und ihre Leistungen anböten. Dass das BSG mit seiner Entscheidung das Urteil in Mecklenburg-Vorpommern hat rechtskräftig werden lassen, sei „eine Katastrophe“, erklärte Nicolai Schäfer, 1. Vorsitzender des BV-H, auf DÄ-Nachfrage. „Honorarärzte sind in Mecklenburg-Vorpommern absolut Versorgungsrelevant und ein Element der Daseinsvorsorge“, sagte er. Schäfer appellierte sowohl an das Bundesgesundheits- als auch das Bundesarbeitsministerium, über gesetzliche Lösungen nachzudenken, um das Problem bundesweit zu lösen.
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