Politik

Urteil zu Honorarnotärzten wirft Versorgungsprobleme auf

  • Dienstag, 30. August 2016
Uploaded: 30.08.2016 15:38:45 by maybaum
/dpa

Kassel/Schwerin – Die Beschäftigung von Honorarnotärzten auf Rettungswagen ist in Mecklenburg-Vorpommern nach einem Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG, Az.: B 12 R 19/15 B) in bisheriger Form künftig nicht mehr möglich. Die Richter in Kassel bestä­tig­ten ein Urteil des Landes­so­zial­gerichts Mecklenburg-Vorpommern, das die Be­schäftigung als Scheinselbst­ständig­keit eingestuft hatte (Az: L7R60/12), wie heute be­kannt wurde. Im kon­kre­ten Fall geht es um den Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Mecklen­burg-Vorpommern.

Nach Angaben des Rechtsvertreters des DRK, BDO Legal, dürfen damit ab sofort in dem Bundesland keine Honorarnotärzte im Rettungsdienst mehr beschäftigt werden. Sie müssten sozialversiche­rungs­pflichtig angestellt werden. Fraglich sei, ob Ärzte, die den notärztlichen Rettungs­­dienst bisher neben ihrem eigentlichen Job übernähmen, dazu be­reit seien. Auch seien Konflikte mit dem Arbeitszeitgesetz zu befürchten.

Der Fachanwalt für Medizinrecht bei BDO Legal, Stephan Porten, macht über die Lan­des­grenzen von Mecklenburg-Vorpommern hinaus auch bundesweite Konse­quenzen aus. Das Bundessozialgericht habe klargemacht, wie es auch in ver­gleich­baren Fällen entscheiden würde, sagte er. „Es muss jetzt davon aus­gegangen werden, dass die So­zialversicherungsträger die Entscheidung des BSG zum Anlass nehmen, die Sozial­ver­sicherungspflicht von Honorarärzten jetzt ebenso in an­de­ren Bundesländern gerichtlich durchzusetzen“, sagte er.

In Mecklenburg-Vorpommern wird BDO Legal zufolge der Rettungsdienst bisher ganz über­wiegend mit Honorarärzten abgedeckt. Trägern drohen deftige Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen: Laut Porten sind bereits mehrere Verfahren vor Sozial­gerichten im Nordosten anhängig.

Aus Sicht des Deutschen Landkreistages führt die Entscheidung des BSG im Grunde „zu keiner neuen Rechtslage“. Es sei um die Frage gegangen, ob die Nicht­zu­lassung der Re­vision durch das Landessozialgericht M-V zulässig war. Letztlich bleibe es damit bei der „unbe­friedigenden Situation, dass viele Träger des Rettungsdienstes, vor allem auch Land­krei­se, Krankenhäuser sowie Hilfsorganisationen, nicht wissen, ob sie weiter­hin Not­ärzte auf Honorarbasis und ohne Bestehen einer Sozialversicherungspflicht be­schäftigen können“, sagte Markus Mempel, Sprecher des Landkreistags, auf Nach­fra­ge des Deutschen Ärzte­blatts (DÄ). Da das deutsche Notarztsystem historisch hierauf auf­baue, sei das „eine schwere Bedrohung der in den Landkreisen bestehenden unter­schied­li­chen Sys­teme und damit der notärztlichen Versorgung vorwiegend im ländlichen Raum“.

Der Deutsche Landkreistag fordert von der Bundesregierung, dass Gesetzesände­run­gen erfol­gen, die den Ge­staltungsspielraum für die Träger des Rettungsdienstes bei der Beschäftigung von Hono­­rar­ärzten erhalten. „Das kann eine Ausnahme für Notärzte im Sozialversicherungsrecht sein, aber wir sind auch jederzeit zu Gesprächen über andere Lösungsmöglichkeiten bereit“, erklärte Mempel. An diesen seien auch die gesetzliche Krankenversicherung als Kostenträger des Rettungsdienstes sowie die Länder zu betei­ligen. Mempel betonte, durch die BSG-Entscheidung sei der „politische Handlungs­druck“ gestiegen. Man erwarte „kurzfristig Vorschläge seitens der Bundesregierung“.

Eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht für Honorarnotärzte sieht auch der Bundesverband der Honorarärzte (BV-H) als einen möglichen Lösungsweg an. Ein Mo­dell könne jedoch auch eine Genossenschaft für Honorarärzte sein, in der sich Notärzte für den Rettungsdienst organisierten und ihre Leistungen anböten. Dass das BSG mit seiner Entscheidung das Urteil in Mecklenburg-Vorpommern hat rechtskräftig werden lassen, sei „eine Katastrophe“, erklärte Nicolai Schäfer, 1. Vorsitzender des BV-H, auf -Nachfrage. „Honorarärzte sind in Meck­len­burg-Vorpommern absolut Versorgungs­re­levant und ein Element der Daseinsvorsorge“, sagte er. Schäfer appellierte sowohl an das Bundes­gesundheits- als auch das Bundesarbeitsministerium, über gesetzliche Lösungen nachzudenken, um das Problem bundesweit zu lösen.

dpa/may

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