Demonstration in Berlin: Psychotherapeuten fordern angemessene und gerechte Honorare

Berlin – „Psychologen verstehen nicht alles – Honorargerechtigkeit jetzt“ - Mehr als 1.200 Psychotherapeuten und Psychiater sind heute in einem Demonstrationszug vom Potsdamer Platz aus durch das Regierungsviertel, am GKV-Spitzenverband vorbei bis zum Bundesgesundheitsministerium gezogen, um Honorargerechtigkeit für psychotherapeutische Leistungen zu verlangen. Historisch einmalig ist der Zusammenschluss aller Verbände der ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Psychiater und Psychosomatiker. Zusätzlich finden sich auf der Homepage zu dem Aktionstag mehr als 5.000 Solidaritätsbekundungen:
„Seit Jahren sind wir mit großem Abstand die Schlusslichter in der Einkommensskala aller Arztgruppen. Unsere Praxen erwirtschaften - bei gleichem Arbeitseinsatz - nur knapp mehr als die Hälfte des Überschusses somatischer Praxen“, erläuterte Barbara Lubisch, Psychologische Psychotherapeutin (PP) und Vorsitzende der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung. „Das wollen wir nicht länger hinnehmen“, heißt es auf den Plakaten der Demonstrierenden: „Es reicht“.

„Trotz mehrfacher höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verweigern die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) die uns zustehenden Honorare“, kritisierte Lubisch. Die Urteile des BSG besagen, dass es Psychotherapeuten bei maximalem Arbeitseinsatz, das heißt 51 Stunden in der Woche, möglich sein muss, soviel zu verdienen, wie der Durchschnitt der somatisch tätigen Fachärzte. Tatsächlich lagen die Überschüsse (Umsatz minus Praxiskosten vor Steuern und Versicherungen) bei vergleichbarer Wochenarbeitszeit zum Beispiel im 1. Quartal 2013 bei rund 13.000 Euro, während die Überschüsse aller Arztgruppen im Durchschnitt bei rund 26.400 Euro lagen. Das geht aus dem Honorarbericht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, 1/2013 hervor.
„Die sprechenden, personenintensiven Leistungen müssen gestärkt werden“
„Die Politik fordert eine ausreichende Versorgung mit psychotherapeutischen und psychiatrischen Leistungen, gibt uns die Mittel und Strukturen, die wir dafür benötigen, aber nicht an die Hand“, beklagte Jürgen Doebert, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands der Vertragspsychotherapeuten (bvvp). Er forderte eine grundlegende Veränderung der Systematik im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM): „Die sprechenden, zeitgebundenen und personenintensiven Leistungen müssen gestärkt werden.“
Notwendig sei zudem, dass der Bewertungsausschuss Beschlüsse zur angemessenen Vergütung psychotherapeutischer Leistungen ab 2009 gemäß den BSG-Urteilen fasse, sagte der bvvp-Vorsitzende. Das paritätisch von GKV-Spitzenverband und KBV besetzte Gremium hatte am 18. Dezember 2013 beschlossen, die Angemessenheit der Vergütung bis zum 30. Juni 2014 überprüfen zu wollen. „Der Bewertungsausschuss prüft derzeit, wie und in welcher Höhe es um etwaige Nachzahlungen für die Psychotherapeuten bestellt ist“, erklärte der Pressesprecher der KBV, Dr. Roland Stahl.
Die beiden Verbandsvertreter gehen davon aus, dass eine Überprüfung der Vergütung ab 2009 durch den Bewertungsauschuss rückwirkend zu Nachzahlungen führen würde, die die KVen aus den Rückstellungen finanzieren müssten. Das würde zu Unmut führen. „Um Nachzahlungen zu vermeiden, fordern wir vom Gesetzgeber festzuschreiben, dass die Angemessenheit unserer Honorare jährlich überprüft wird“, verlangte Lubisch.

„Etwas ist faul in Deutschland, wenn Psychotherapeuten und Psychiater für eine angemessene Bezahlung ihrer Leistungen auf die Straße gehen müssen“, sagte Frank Bergmann, Vorsitzender des Spitzenverbandes ZNS. Ein therapeutisches Gespräch müsse besser bewertet werden als bisher. Der Psychiater und Neurologe beklagte die „beschämende Geiz-ist-geil-Mentalität“, mit der psychisch Kranke und die sie behandelnden Ärzte und Therapeuten immer noch systematisch benachteiligt würden.
Mehr Honorar für eine flexible Versorgung von Kindern und Jugendlichen
Auf das hohe Maß an Flexibilität, das Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in der täglichen Arbeit mit psychisch kranken Kindern, deren Eltern und dem System aus Schule, Jugendamt, Jugendgericht, Heim, Klinik und anderen Institutionen aufbringen müssen, wies Werner Singer hin, stellvertretender Vorsitzender der Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten e.V.. „Für die qualitativ hochwertige Versorgung psychisch kranker Kinder wollen wir angemessen und gerecht vergütet werden“, forderte er.
Der Berufsverband der Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Deutschlands e.V. (BPM) unterstützt die Forderungen des Aktionstages Psychotherapie nach einer besseren Vergütung der Richtlinien-Psychotherapie. „Das reicht aber nicht aus, da für eine bessere Versorgung psychisch Kranker auch eine bessere Vergütung psychosomatischer Gesprächsleistungen erforderlich ist“, sagte der Vorsitzende des BPM, Herbert Menzel. Die deutliche Unterfinanzierung der sprechenden Medizin sei nicht länger hinnehmbar.
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