Deutsche fühlen sich über Qualität im Gesundheitswesen schlecht informiert

Berlin – 15 Jahre Qualitätsberichterstattung im Gesundheitswesen haben offenbar kaum Wirkung gezeigt. Einer Befragung von Kantar Emnid im Auftrag der Bertelsmann Stiftung fühlen sich 64 Prozent der Befragten bei der Suche nach einer Arztpraxis, einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung nicht ausreichend informiert.
Das Gefühl der Unsicherheit fällt umso größer aus, je geringer der Bildungsabschluss ist. Zugleich geben 87 Prozent der Befragten an, dass Einrichtungen der Gesundheitsversorgung gesetzlich dazu verpflichtet werden sollten, ihre Qualitätsdaten offenzulegen.
„Es klafft eine große Lücke zwischen dem Informationsbedarf der Bevölkerung und dem, was das Gesundheitssystem derzeit aus sich heraus an Transparenz bietet“, sagte Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmann Stiftung. „Die offizielle Qualitätsberichterstattung bleibt deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurück.“
Dieses Fazit steht am Ende einer Bilanz der Qualitätstransparenz im deutschen Gesundheitswesen, die die Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit ihrem Projekt „Weisse Liste“ vorgelegt hat.
„Das Resümee ist ernüchternd“, erklärte Uwe Schwenk, Direktor des Gesundheitsprogramms der Bertelsmann Stiftung und Geschäftsführer der Weisse Liste. Die Ergebnisse der Qualitätssicherung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen schienen die Menschen mit den bisherigen Mitteln und Wegen kaum zu erreichen.
Über die Qualität von Arztpraxen lägen praktisch keine belastbaren Daten vor. „Dabei wäre Vieles, was in anderen Ländern schon üblich ist, auch in Deutschland ohne großen Zusatzaufwand möglich.“ So ließen sich der Stiftung zufolge schon heute Abrechnungs- und andere Routinedaten heranziehen, um über medizinische Leistungen und deren Qualität zu informieren.
So könnten etwa diejenigen, die eine Knochendichtemessung benötigen, gezielt nach Arztpraxen suchen, die diese Leistung auch anbieten. Dennoch würden solche Möglichkeiten in der Bundesrepublik, anders als in anderen Ländern, bisher nicht konsequent genutzt.
„Die Datenbasis in Deutschland bietet an sich viel Potenzial. Wir könnten für die Qualitätsberichterstattung schon heute sehr viel mehr daraus machen, ohne den Dokumentationsaufwand für die Einrichtungen zu erhöhen“, erklärte Etgeton. Dazu sei es notwendig, vorhandene Datenbestände allgemein zugänglich zu machen.
Eine weitere Quelle für Informationen über das Versorgungsgeschehen sind nach Ansicht der Stiftung die Patienten selbst. So würden 82 Prozent der Befragten die Erfahrungen, die andere mit einer Arztpraxis, einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung gemacht haben, für wichtig halten, um deren Qualität zu beurteilen.
Obwohl die Gesundheitsministerkonferenz schon 2018 eine systematische Erhebung von Patientenerfahrungen in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens gefordert hat, sei davon bislang so gut wie nichts umgesetzt worden.
Über den Umfang und die Beschaffenheit der Qualitätsdaten hinaus geht es nach Angaben der Bertelsmann Stiftung auch um deren zielgenaue und situationsgerechte Nutzung im Versorgungsalltag. Zentral sei dafür der Informationsbedarf der Patienten in der jeweiligen Behandlungssituation, hieß es.
So erwarteten laut Umfrage 71 Prozent der Befragten von ihrer Hausarztpraxis Orientierungshilfe, etwa bei der Suche nach einem Krankenhaus. Dabei ließen sich für die Beurteilung der Versorgungsqualität die Fallzahlen heranziehen, die abbilden, wie oft eine Klinik bestimmte Operationen durchführten, erläutert die Stiftung. Ob und inwieweit Ärzte die Daten der offiziellen Qualitätsberichterstattung zur Beratung nutzten, sei unklar.
Digitale Hilfsmittel, wie die Praxissoftware oder die elektronische Patientenakte, könnten ebenfalls einen schnellen Zugriff auf relevante Informationen in der Sprechstunde ermöglichen, hieß es weiter. So wünschten sich 67 Prozent der Befragten, dass eine elektronische Patientenakte neben der Dokumentation von Befunden und Therapien auch Qualitätsinformationen zu Gesundheitsanbietern vorhält.
Neben der Hausarztpraxis erwarten immerhin 62 Prozent der Befragten Orientierungshilfe in Sachen Qualität auch von Krankenkassen oder einer unabhängigen Institution, wie der Stiftung Warentest.
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