Ärzteschaft

Menschen ohne Papiere nicht von Gesundheits­versorgung ausschließen

  • Mittwoch, 6. April 2022
/kazoka303030, stock.adobe.com
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Berlin – Menschen, die ohne geregelten Aufenthaltsstatus in Deutschland leben, sollen nicht weiter von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen werden. Das fordern 80 zivilgesellschaftliche Organisa­tionen und Wohlfahrtsverbände.

Darunter befinden sich zum Beispiel Ärzte der Welt, Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs/Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW), Diakonie Deutschland, Pro Asyl, Amnesty International und die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) sowie mehr 26.400 Zahl Unterzeichner der Petition zur Kampagne #GleichBeHandeln.

Zum Abschluss der Kampagne haben Vertreter der Organisationen die Unterschriften heute Abgeordne­ten der Regierungsfraktionen nahe dem Bundestag in Berlin übergeben. Im Koalitionsvertrag hatte die neue Bundesregierung sich verpflichtet, das Problem anzugehen.

Darin heißt es: „Die Meldepflichten von Menschen ohne Papiere wollen wir überarbeiten, damit Kranke nicht davon abgehalten werden, sich behandeln zu lassen.“ Nach Angaben der Kampagne #GleichBe­Handeln leben mehrere hunderttausend Menschen ohne Papiere in Deutschland.

„Alle Menschen in Deutschland müssen zum Arzt gehen können, ohne Angst zu haben, ihre gesamte Existenz zu verlieren“, betonte François De Keersmaeker, Direktor von Ärzte der Welt bei der Übergabe der Unterschriften.

„Der Paragraf 87 des Aufenthaltsgesetzes sorgt jedoch dafür, dass Menschen eine Abschiebung droht, wenn sie die Kostenübernahme für eine medizinische Behandlung beantragen. Diesen Missstand muss die Gesetzgebung endlich beseitigen.“

„Die Angst vor einer Abschiebung darf nicht zu Chronifizierung von Erkrankungen und Zeitverzug bei dringend benötigten Therapien führen“, betonte auch Carlotta Conrad, Ärztin und Vorstandsmitglied von IPPNW.

Die vertrauensvolle Beziehung zwischen Ärzten und Patienten dürfe auch bei Menschen ohne Aufent­halts­titel nicht durch staatliche Eingriffe gestört werden. Sie sei immer ein unabdingbarer Bestandteil einer erfolgreichen medizinischen Behandlung.

„Das Recht auf medizinische Versorgung gilt für alle Menschen – unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Der Staat muss sicherstellen, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung auch in der Praxis funktioniert“, forderte auch Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie, bei der Übergabe der Unterschriften.

Hintergrund: In Deutschland besteht für Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus ein gesetzlicher Anspruch auf medizinische Versorgung. Nach den Paragrafen 1 Abs. 1 Nr. 5, 4 und 6 Asylbewerberleis­tungs­gesetz haben sie Anspruch auf eingeschränkte medizinische Leistungen bei akuten Krankheiten oder Schmerzzuständen sowie bei Schwangerschaft und Geburt.

Das Sozialamt am Wohnort ist als Kostenträger vorgesehen und müsste der beantragenden Person einen Behandlungsschein ausstellen, damit diese einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen kann.

Nach Paragraf 87 des Aufenthaltsgesetzes ist das Sozialamt beim Antrag auf Kostenübernahme für eine Behandlung verpflichtet, die Daten an die Ausländerbehörde zu übermitteln. Damit droht den betroffenen Patientinnen und Patienten die Abschiebung.

PB

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