Politik

„Die Fachkräftequote ist auch bei den Pflegekräften dringend notwendig“

  • Donnerstag, 21. September 2017

Berlin – Am 24. September ist Bundestagswahl. Das Deutsche Ärzteblatt hat die gesund­heits­politischen Sprecher der Parteien, Länderminister, Verbände und Ärzte aus der Patienten­versorgung befragt, wie es mit der Gesundheitspolitik in der kommenden Legislatur weitergehen sollte.

Heike Werner /Delf Zeh
Heike Werner /Delf Zeh

Fünf Fragen an Heike Werner (Die Linke), Minis­terin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie in Thüringen

DÄ: Welche drei gesundheitspolitischen Initiativen werden Sie nach der Bundestagswahl als erstes in den Bundesrat einbringen?
Heike Werner: Grundsätzlich beteiligen sich die Länder im Bundesrat unabhängig davon, ob gerade eine Bundes­tags­wahl stattfindet oder nicht. So handhaben wir das auch. Verschweigen möchte ich aber nicht, dass eine neue Konstellation im Bund die eine oder andere Initiative im Bundesrat natürlich auch erleichtern oder erschweren könnte. Neue Mehr­heitsverhältnisse im Bund würden es uns beispielsweise ermöglichen, einen neuen Vorstoß in Richtung einer solidarischen Bürgerversicherung im Bundesrat unternehmen zu können. Das betrifft auch die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Kranken­versicherung. Als weitere Schwerpunktthemen, die bundesratsrelevant sind, möchte ich die Krankenhausfinanzierung und die Weiterentwicklung von Fachpersonalquoten nennen.

DÄ: Wo liegen im Gesundheitswesen die größten Konflikte zwischen Bund und Ländern?
Werner: An prominenter Stelle sind hier Finanzierungsfragen zu nennen. Ein ganz klares Problemfeld besteht darin, dass die Länder Aufgaben wahrnehmen, bei welchen die Finanzierung durch den Bund – diplomatisch ausgedrückt – verbesserungswürdig ist. Das betrifft zum Beispiel die Finanzierung der Krankenhausinvestitionen.

DÄ: Stichwort Krankenhauspolitik: Was machen Sie besser als andere Länder – oder anders gefragt: Wo sehen Sie Ihr Land in einer Vorreiterrolle?
Werner: Ich halte es für wichtig, gerade in diesem Politikfeld die demografischen Ent­wicklungen im jeweiligen Bundesland im Blick zu behalten. Wir haben Ende vergange­nen Jahres den 7. Thüringer Krankenhausplan beschlossen. Wegen der immer älter werdenden Bevölkerung haben wir hierbei dem Bereich Geriatrie einen besonderen Stellenwert im Krankenhausplan eingeräumt.

Mit der Thüringer Hygieneverordnung geben wir den Gesundheitsdienstleistern, insbesondere den Krankenhäusern, ganz klare Vorgaben. Auch darüber hinaus konnten wir uns deutlich in Sachen Qualität verbessern: Per Rechtsverordnung haben wir eine Facharztquote eingeführt, die von den Einrichtungen zukünftig in ihren jeweiligen Abteilungen einzuhalten ist. Die Einführungsphase ist fast abgeschlossen. Auch unsere Förderung der Ansiedlung von Ärztinnen und Ärzten im ländlichen Raum kann sich sehen lassen.

DÄ: Viele Ärzte und Pflegekräfte im Gesundheitswesen leiden unter Zeitdruck, Personalmangel und Bürokratisierung. Welche konkreten Rezepte sind notwendig, um die Situation in der kommenden Legislaturperiode zu verbessern?
Werner: Die Fachkräftequote, wie wir sie – ich habe darauf hingewiesen – im ärzt­lichen Bereich schon eingeführt haben, ist auch bei den Pflegekräften dringend notwendig. Auf Bundesebene ist hierzu die Debatte angestoßen worden. Mit Minister­präsident Bodo Ramelow gehöre ich zu den Erstunterzeichnern des Mitteldeutschen Appells für mehr Krankenhauspersonal, der zu einer besseren Krankenversorgung ohne Gesundheitsschäden für die Beschäftigten aufruft. Das Thema Pflegekraftquote haben in Thüringen sowohl wir als zuständiges Fachministerium als auch die regierungs­tragenden Fraktionen inzwischen aufgegriffen. Dafür erhoffe ich mir entsprechende Unterstützung von der neuen Bundesregierung.

DÄ: Wo weichen Sie auf Landesebene in Bezug auf die Gesundheitspolitik am meisten von der Bundespolitik ab?
Werner: Unterschiede gibt es bereits in der grundsätzlichen Betrachtungsweise des Gesundheitswesens. Hier ist bundespolitisch an vielen Stellen ein zu stark von der Marktlogik durchdrungener Mechanismus ins System gekommen. Als Landesgesund­heits­ministerin sage ich aber ganz klar, dass in der Daseinsvorsorge nicht der Wettbewerb im Vordergrund stehen darf, sondern die Versorgung der Menschen. Wir haben viele Vorschläge, die wir gern umsetzen würden, die derzeit noch nicht mehrheitsfähig sind.

Dazu gehört die Erweiterung des Versichertenkreises in der gesetzlichen Kranken­versicherung, die wir zur solidarischen Bürgerversicherung weiterentwickeln wollen. Gern würden wir Dolmetscherleistungen in den Regelkanon der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung aufnehmen, wogegen sich der Bund sperrt. Die Forderung der Hebammen nach Lösung des Problems der hohen Haftpflichtprämien unterstütze ich.

may

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