Ärzteschaft

Differenzen bei Gesetzentwurf zur Entbudgetierung

  • Donnerstag, 23. Januar 2025
/picture alliance, Benjamin Ulmer
/dpa

Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat gestern ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzentwurf zur Entbudgetierung der Hausärzte von der Selbstverwaltung kaum umsetzbar sein könnte. Das stieß heute auf Widerspruch.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem die Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen und die Ein­führung einer Chronikerpauschale sowie Regelungen zur „Vergütung einer Vorhaltung der zur Erfüllung von Aufgaben der haus­ärztlichen Grundversorgung notwendigen Strukturen“ vor.

Dabei geht es vor allem um die Möglichkeiten der Abrechnung der Vorhalte­pauschalen. Über die Höhe der Vergütung soll letztendlich der Bewertungsausschuss entscheiden. Im Gesetzentwurf ist mehrfach die Rede davon, dass das Vorhaben kein zusätzliches Geld kosten darf.

Die KBV-Spitze Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner hatten die von der Politik lange verspro­chene Entbudgetierung der hausärztlichen Vergütung begrüßt. Die geplanten Änderungen in ihrer Detailtiefe hatten sie aber als „sehr komplex und in ihren Auswirkungen auf die Versorgung kaum vorhersehbar“ bezeichnet.

„Der aktuell vorliegende Entwurf geht auf die zwischenzeitlich vorgebrachte sachliche Kritik leider nicht ein und enthält damit gravierende Schwachstellen. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass eine Entbudgetierung von Leistungen automatisch mit neuen Finanzmitteln einhergeht. Doch das ist nicht der Fall“, monierten Gassen, Hofmeister und Steiner.

Die Krankenkassenseien nicht bereit, zusätzliche Gelder zur Verfügung zu stellen. Das mache die Aufgabe für die Selbstverwaltung „fast unlösbar“. „Es drohen im schlimmsten Falle Honorarumverteilungen innerhalb der Ärzte­schaft“, sagten sie.

„So richtig das politische Signal einer hausärztlichen Entbudgetierung auch ist, kann sie nur ein erster Schritt sein. Folgen muss auch die Entbudgetierung der fachärztlichen Leistungen – und das ebenfalls so schnell wie möglich“, hieß es weiter.

Der Spitzenverband der Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (Spifa), der Berufsverband der Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte (BVKJ) und der Hausärztinnen- und Hausärzteverband sehen das anders. Die Äußerun­gen der KBV seien „inhaltlich nicht nachvollziehbar“ und „ein fatales Signal der KBV an Politik und Praxen“, hieß es von den Verbänden heute.

„Die Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen ist ein großer Schritt nach vorn und ein wichtiges Signal an die ambulant tätige Ärzteschaft. Die Ampel-Parteien haben in diesem Punkt Wort gehalten und geliefert“, sagten die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier.

Die Reform sei für die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung zwingend notwendig und eine wirkungsvolle Maßnahme gegen die Krise der hausärztlichen Versorgung. Sie stimmten der KBV aber auch inhaltlich zu, dass der aktuelle Entwurf „nicht perfekt“ sei. Er sei aber „dennoch zweifellos eine deutliche Verbesserung zum aktuellen Status quo“. Das hat bisher auch die KBV so gesehen.

„Statt gemeinsam mit den Verbänden daran zu arbeiten, die bestmögliche Lösung umzusetzen, erklären die Vor­stände stattdessen, dass sie mit der Komplexität überfordert sind“, wurde bemängelt. Die Verbände bezeichneten das als „Bankrotterklärung“ und „Schlag ins Gesicht der zahlenden Mitglieder, die dringend auf die Reform ange­wiesen“ seien.

„Dass nun ausgerechnet die KBV die lang erwartete und überfällige Entbudgetierung der hausärztlichen Leistun­gen ausbremst, ist vollkommen absurd und schüttet Wasser auf die Mühlen derer, die gerne hätten, dass der Staat sich immer mehr Aufgaben der Selbstverwaltung aneignet“, betonte der SpiFa-Vorstandsvorsitzende Dirk Heinrich. „Wir erwarten, dass die KBV hier ihrer Aufgabe und Verpflichtung nachkommt und Lösungen präsentiert.“

Dass der aktuelle Entwurf nicht perfekt sei und auch nur ein erster Schritt zur Entbudgetierung aller vertragsärzt­li­chen Leistungen sei, sei klar. „Hier aber nicht zum Argument für Arbeitsverweigerung werden.“ In der nächsten Legislatur sei dann der Gesetzgeber erneut gefordert.

„Nach der Entbudgetierung der Leistungen der Kinder- und Jugendmedizin ist die Umsetzung der Entbudge­tie­rung der hausärztlichen Leistungen überfällig“, erklärte BVKJ-Präsident Michael Hubmann. Bundesgesundheits­minister Karl Lauterbach (SPD) habe das Vorhaben vor mehr als zwei Jahren auf dem Neujahrsempfang öffentlich angekündigt.

„Natürlich bleiben viele Punkte offen: Es fehlt die Gleichstellung der Weiterbildungsförderung im gesamten hausärztlichen Versorgungsbereich. Von unserer Selbstverwaltung erwarten wir eine konsequente Unterstützung in diesen Themen“, erklärte er.

Die KBV sah sich heute zu einer Klarstellung genötigt. „Wir haben immer gefordert, dass das politische Verspre­chen, die Honorarbudgets für die hausärztliche Versorgung abzuschaffen, eingelöst werden muss“, so die KBV-Vorstände in einer Mitteilung. Das solle nun auf den letzten Metern vor der Bundestagswahl geschehen, sei überfällig werde ausdrücklich begrüßt.

Man habe die Politik gestern aber auf die derzeit noch bestehenden Umsetzungsprobleme hingewiesen. „Diese Risiken sind allen maßgeblichen ärztlichen Verbänden bekannt“, hieß es weiter. Die KBV sei mit den betroffenen Verbänden und den Fraktionen im Bundestag im Gespräch, um die notwendigen Verbesserungen an dem Gesetz zu erreichen, die „für eine gute Lösung notwendig sind und die bereits in den vergangenen Monaten intensiv diskutiert wurden“.

Ziel der KBV sei, die Entbudgetierung zu sichern und dabei die Umsetzung so auszugestalten, dass keine Praxis Geld verliere. „Denn eins ist klar, wenn für die neue Hausarzt-MGV zu viel Geld zurückgelegt werden muss, fehlt das Geld an anderer Stelle. Dann wären Hausärzte trotz Entbudgetierung bei den nicht entbudgetierten Leistun­gen mit einer steigenden Quotierung konfrontiert.“

Die KBV habe von Beginn an zusammen mit den maßgeblichen Verbänden in Bezug auf die Vorhalte- und Versor­gungspauschale darauf hingewiesen, dass Umverteilungseffekte drohten und manche Praxis leer ausgehen könnten oder sogar schlechter gestellt würden. „Die Einführung der im Gesetz angelegten Pauschalen ist leider nicht mit neuem Geld verknüpft. Die KBV wird im Bewertungsausschuss für eine sachgerechte Umsetzung der Pauschalen kämpfen.“

may/bee

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