Digitale Medizin: Vertrauen in neue Strukturen und Abläufe schaffen
Berlin – Die Digitalisierung habe perspektivisch das Potenzial, Prozesse und auch grundlegende Prinzipien der gesundheitlichen Versorgung zu verändern und infrage zu stellen. Das hat Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), heute bei der Veranstaltungsreihe BÄK im Dialog zum Thema „Die Vertrauensfrage in der digitalen Medizin“ betont.
„Diese Veränderungen werden aber nur dann zu Verbesserungen führen, wenn Ärzte und Patienten Vertrauen in diese neuen Strukturen und Abläufe entwickeln können.“ Ärzte müssten dafür Sorge tragen, dass sich der Ausbau digitaler Strukturen an den Bedürfnissen ärztlichen Handelns und der Patientenversorgung orientiere und nicht an Marktinteressen von Technologiekonzernen und digitalen Plattformen.
Für den Ausbau der Digitalisierung im Gesundheitswesen seien eine Gesamtstrategie und auch ein Ordnungsrahmen erforderlich, der sowohl politische, rechtliche, aber auch ethische Aspekte umfasst, forderte er. „Es ist Aufgabe der Politik, einen solchen Rahmen zu schaffen.“
Vertrauen entsteht aus Beteiligung
Um Vertrauen zu schaffen, seien bestimmte Parameter wie kluge Verfahren, gute Debatten und sich daraus legitimierende Entscheidungen notwendig, ebenso die Beteiligung in Gremien der Selbstverwaltung und in der gematik, betonte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Er appellierte an die Ärzte, auch nach der Neuaufstellung und Umstrukturierung der Gematik konstruktiv in der Sacharbeit zu sein. Mit der Neuaufstellung der Gematik sei es gelungen, auch ein Stück neuen „spirit“ in die Institution zu bekommen.
Ein zweiter wichtiger Aspekt für Vertrauen sei das Thema der Datensicherheit. Der Skandal um ungeschützte, leicht zu hackende PACS-Server sei kein Problem der Rechtsetzung. Das Recht sei da eindeutig, was die Frage nach dem Schutzniveau solcher sensiblen Daten angehe.
„Die Zeiten, wo vielleicht der Cousin nebenbei die IT-Wartung in der Praxis gemacht hat, sind vorbei“, sagte Spahn. Die Verantwortung liege zunächst einmal beim Arzt, Apotheker oder Krankenhaus, die entsprechende Schutzstandards einhalten müssten. Es gelte, zu sensibilisieren und entsprechende Unterstützung aus der Selbstverwaltung etwa für die einzelne Praxis zu leisten.
„Code of Conduct“ für das Gesundheitswesen
Im Hinblick auf den Datenschutz und die Frage, wer hat Zugriff auf die Daten, warb Spahn dafür, einen „Code of Conduct“ für das Gesundheitswesen innerhalb der Datenschutz-Grundverordnung zu entwickeln. Dies wolle man auch im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im nächsten Jahr zum Thema machen. Viele seien unsicher, was die DSGVO für Gesundheitsdaten bedeute.
„Wenn es uns gelänge, einheitlich einen Rahmen gezielt für Gesundheitsdaten auf europäischer Ebene zu formulieren, gibt es auch Sicherheit und Vertrauen für diejenigen, die mit Daten umgehen müssen.“ Mit Blick auf die Staatskonzerne Chinas sowie auf die privaten Großkonzerne der USA gehe es darum, in Europa etwas Eigenes zu entwickeln.
Zur Vertrauensvoraussetzung gehört Spahn zufolge auch die Frage der digitalen Kompetenz, sowohl bei den Patienten und Bürgern als auch in den Berufen. Derzeit würden alle Gesundheitsberufe daraufhin geprüft, welche Inhalte gelehrt werden. „Die Zahnarztapprobationsordnung stammt noch aus den 1950er-Jahren“, monierte Spahn. Auch die ärztliche Approbationsordnung werde einbezogen.
„Vertrauen entsteht auch, wenn wir über künstliche Intelligenz Verständnis Transparenz herstellen“, erklärte der Minister. „Was sind die Standards, welche Algorithmen liegen dahinter?“ Zu fragen sei auch, was KI für das Verhältnis von Maschine und ärztlichem Tun bedeute. „Es ersetzt ja nicht das ärztliche Tun, sondern ergänzt es“, so Spahn.
„Vertrauen wächst auch, indem es im Alltag besser wird“, meinte er. Den großen Widerstand gegen die Anbindung der Arztpraxen an die Telematikinfrastruktur gebe es unter anderem auch, weil bis jetzt im Alltag für den Arzt und die Patienten kein Mehrwert spürbar sei und die Anwendungen fehlten. Wichtig sei daher, sukzessive erste Anwendungen einzuführen, wie die elektronische Patientenakte, auch wenn diese nicht gleich perfekt sei.
Apps könnten ebenfalls „einen positiven Unterschied“ machen, etwa in der psychotherapeutischen Versorgung, wie Studien belegen würden. Das schaffe Vertrauen, betonte er. Zu einer guten Versorgung gehören immer auch die zwischenmenschliche Kommunikation und die Interaktion als Kernbestandteil von Verantwortung und Vertrauen. Wenn das Digitale nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung wahrgenommen werde, „dann kann daraus etwas Gutes werden“, so sein Fazit.
Schnelligkeit des digitalen Wandels
Die Veränderung des digitalen Wandels in der Medizin unterscheide sich von den vorangegangenen Veränderungen insbesondere durch die Geschwindigkeit, die von der Ärzteschaft in der Vergangenheit zunächst unterschätzt worden sei, meinte Peter Bobbert, BÄK-Vorstandsmitglied und Ausschussvorsitzender „Digitalisierung der Gesundheitsversorgung“ der BÄK.
Spätestens seit dem Deutschen Ärztetag 2017 in Freiburg gab es ihm zufolge den berufspolitischen Wendepunkt zur Digitalisierung und den Willen der Ärzte, den digitalen Wandel zu gestalten. Gemeinsames Ziel dabei sei, dass „die digitale Medizin von Morgen nicht nur eine andere, sondern auch eine bessere ist“, hob er hervor.
Diese Aufgabe sei komplex und schwierig. Ein Ansatz sei daher, jetzt Kernpunkte des ärztlichen Handelns zu definieren, die auch für die Medizin von Morgen gelten sollen. Ein wesentliches Merkmal sei es dabei, dass sich die Ärzte im Dienst der Menschlichkeit befänden.
Auf dieser Grundlage wurden in Werkstattgesprächen unter der Regie der BÄK über die Weiterentwicklung der ärztlichen Patientenversorgung durch Digitalisierung diskutiert. Ziel war es, eine Positionierung zur Digitalisierung der Medizin von Morgen aus ärztlicher Perspektive zu erarbeiten – „eine Positionierung, von der wir hoffen, dass sie auch eine Positionierung anderer Berufe im Gesundheitswesen ist“, so Bobbert. Damit könne sie auch eine Orientierung für die politischen Entscheidungsträger sein.
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