Ärzteschaft

Digitalisierung: Zugang zu Gesundheits­anwendungen einfach halten

  • Sonntag, 14. Mai 2023
Peter Bobbert /Jürgen Gebhardt
Peter Bobbert /Jürgen Gebhardt

Essen – Um die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben, braucht es einfache Zugangswege zu digitalen Anwendungen. Das betonte Peter Bobbert, Mitglied im Vorstand beim Marburger Bund (MB), heute bei der Hauptversammlung des MB.

Er warnte davor, wiederholt Fehler bei der Entwicklung der elektronischen Identität (eID) zu machen. Die eID als digitaler Schlüssel, um sich für Gesundheitsanwendungen künftig einfacher anmelden zu können, könne der Digitalisierung einen Schub verleihen, wenn sie richtig und zeitnah eingeführt werde.

„Aber die Fehler, die wir in der Vergangenheit gemacht haben, machen wir jetzt schon wieder. Dieses gute Tool der eID verkomplizieren wir, so dass dieses Tool am Ende genau das Gegenteil bewirkt, was es eigentlich machen soll“, sagte Bobbert.

Er plädierte für einen sogenannten Single-Sign-On, mit dem man sich einmal anmeldet und damit auf verschiedene Anwendungen auf dem Handy zugreifen kann. Momentan werde aber ein höheres Sicherheitsniveau diskutiert, so dass etwa eine PIN und TAN benötigt oder der Personalausweis an das Handy gehalten werden müsse, um den elektronischen Schlüssel bedienen zu können.

Dies werde aber dazu führen, dass viele die eID nicht benutzen wollen oder können. Denn manche Hardwareanforderungen an das Handy haben nur bestimmte, meist teurere Smartphones, so Bobbert. Wenn die eID aber nur mit guten, teuren Handys genutzt werden könne, schließen wir viele aus, kritisierte er. Die Gesundheitsversorgung der Zukunft müsse auch die soziale Teilhabe beachten.

Die Delegierten der Hauptversammlung forderten den Gesetzgeber in einem Antrag auf, entsprechend nachzubessern. Sie erklärten, dass Versicherte nach entsprechender Aufklärung die Möglichkeit haben müssten, eigenverantwortlich und nach individueller Abwägung über die für sie akzeptablen Sicherheitsstandards und den damit verbundenen Anwendungszugang der eID zu entscheiden.

„Wenn die digitale Dokumentation nicht einfach wird und schlecht gemacht ist, dann ist das der erste Schritt hin zur Bürokratie“, bemängelte Bobbert weiter. Die Delegierten stimmten für einen entsprechenden Antrag, um Bürokratie durch weitere Digitalisierung zu verhindern.

Darin wird der Gesetzgeber aufgefordert, verbindliche Standards für IT-Hersteller, Register, QS-Institutionen, Krankenkassen, Fachgesellschaften und weitere am Gesundheitswesen teilnehmende Institutionen zur Dokumentation von administrativen und medizinischen Daten zu entwickeln und vorzugeben.

„Krankenhausinformations- (KIS) und Praxisverwaltungssysteme (PVS) müssen über geeignete, vom Hersteller zu erfüllende Maßnahmen, wie zum Beispiel digitale Automatisierung von Abläufen, so gestaltet sein, dass innerhalb des Systems Daten ohne erneute Eingabe ausgetauscht werden können“, heißt es in dem Antrag.

Sanktionen gegen Ärzte war falsch

Hinsichtlich der Digitalisierung in Deutschland müsse niemand mehr überzeugt werden, sagte Bobbert. Frustrierend sei aber, dass trotzdem keine entsprechenden Fortschritte in der Realität zu beobachten seien.

„Wir hängen nicht mehr hinterher, wir sind abgehängt", sagte er in Richtung des europäischen Auslands. Spanien, Italien oder Finnland nutzten etwa das E-Rezept oder die elektronische Patientenakte bereits seit einigen Jahren, so Bobbert.

Dass die ehemalige Bundesregierung mit Sanktionen gegen Leistungserbringer, also auch gegen Ärztinnen und Ärzte gearbeitet habe, war „schlicht ein Fehler“, so Bobbert. Diese Sanktionen hätten vielmehr die richtigen - die IT-Dienstleister - treffen müssen. Diese hätten entsprechende Dienstleistungen und digitalen Produkte erbracht und damit die Digitalisierung behindert.

Die Delegierten beschäftigten sich neben der Digitalisierung auch mit der Weiterentwicklung der Weiterbildung. Um zur Weiterbildungssituation Informationen zu erhalten, führt eine Mehrzahl der Landesärztekammern seit 2014 entsprechende Befragungen durch, erklärte Henrik Herrmann, Mitglied im MB-Vorstand und Präsident der Landesärztekammer Schleswig-Holstein. Diese seien aber nicht einheitlich und damit nur eingeschränkt vergleichbar.

Deshalb wurde 2022 ein Evaluationskonzept erstellt, mit dem Weiterzubildende sowie Weiterbildungsbefugte zur Weiterbildungssituation befragt werden. 13 Landesärztekammern haben bereits eine entsprechende Evaluation durchgeführt. Von 12 Kammern liegen zudem Ergebnisse vor, berichtete Herrmann.

Weiterbildung weiterentwickeln

Diese Evaluationen sollen unter anderem einen Rahmen für Kulturwandel schaffen sowie bei Änderungen der Weiterbildungsvorgaben berücksichtigt werden.

Grundsätzlich seien gerade einige Dinge im Umbruch, etwa ob die Musterweiterbildungsordnung (MWBO) eine Bildungsordnung bleiben solle, so Herrmann. Es gebe zudem viele Anträge auf neue Bezeichnungen und Zusatzweiterbildungen. Dies könne aber auch zu einer Zersplitterung der Fächer führen, warnte Herrmann.

Auch die Dauer der Weiterbildung müsse diskutiert werden. Herrmann gab zu bedenken, ob fünf bis sechs und teilweise sogar bis zu zehn Jahre nach einem bereits langen Medizinstudium nicht zu lang seien. Auch ob die Qualifikationen inhaltlich überfrachtet seien, solle überdacht werden.

Ziel sei es, auf dem Deutschen Ärztetag 2024 in Mainz erste Eckpunkte dieser Überlegungen zu präsentieren und vom Ärztetag im kommenden Jahr den offiziellen Auftrag zu erhalten, an diesen Fragen weiterzuarbeiten.

Die Delegierten forderten zudem die Landesärztekammern auf, Weiterbildungszeiten im Schwerpunkt eines Gebietes zum Kompetenzerwerb der zugehörigen Facharztbezeichnung anzuerkennen beziehungsweise durch entsprechende Befugnisse abzudecken.

Diskussion um bessere Bezahlung und weniger Wochenstunden

Darüber hinaus diskutierten die Delegierten weiter über Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen sowie den Fachkräftemangel. Sie sprachen sich dabei für eine Neufassung der Tarifverträge (TV) Ärzte aus.

Die Forderungen der Ärztinnen und Ärzte, etwa nach einer besseren Bezahlung der Arbeit in der Nacht und am Wochenende, eine Wochenstundenreduzierung ohne in Teilzeit gehen zu müssen sowie Entfristungen an Universitätskliniken müssten berücksichtigt werden.

Ein weiteres Instrument, um dem Ärztemangel entgegenzuwirken, sei das Personalbemessungstool, erklärten Herrmann und die erste Vorsitzende des Marburger Bundes, Susanne Johna.

Das ärztliche Personalbedarfsbemessungssystem der Bundesärztekammer (AEPS-BAEK) habe das Ziel, dass Ärztinnen und Ärzte ihre Aufgaben in der vorgesehenen Arbeitszeit schaffen und zufriedener werden. Dies würde verhindern, dass viele in Teilzeit arbeiten oder ganz aus dem Beruf gehen, so Johna. Das Tool solle eine integrierte Gesamtkalkulation von Vollzeitkräften ermöglichen.

Dieses Instrument sei zwar anfangs etwas aufwendig in der Eingabe. Allerdings müsse es nicht monatlich, sondern einmal im Jahr angepasst werden, erklärte Johna.

Herrmann erklärte, dass immer mehr Landesärztekammern hinter dem Projekt stünden und signalisieren, dass sie die Einführung dieses Instruments auch finanzieren wollen. Herrmann hofft, dass das Personalbemessungstool bis 2028 voll implementiert sei und im ärztlichen Kontext umfassend benutzt werde.

cmk

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