Marburger Bund legt konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau vor

Essen – Um Ärzte von teils überbordenden Dokumentationsanforderungen zu entlasten, hat der Marburger Bund (MB) konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau für den stationären Bereich vorgelegt.
Laut einer MB-Umfrage aus dem Jahr 2022 haben knapp ein Drittel der befragten Ärztinnen und Ärzte erklärt, dass sie mehr als vier Stunden täglich mit Bürokratie verbringen. Um der Politik konkrete Beispiele zu nennen, wo und wie bürokratische Maßnahmen reduziert werden könnten, hat der MB Anfang des Jahres eine Task Force eingerichtet. Insbesondere sollten aus Sicht der Task Force das System der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) abgeschafft werden.
Dies würde „schlagartig zu einer Entbürokratisierung in den Krankenhäusern führen“, heißt es in einem Zwischenbericht der Arbeitsgruppe. Insbesondere die in den vergangenen Jahren vorgenommenen Modifikationen am System der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) wie etwa Sicherstellungszuschläge, Pflegepersonalkostenbudget oder die bessere Finanzierung von Geburts- und Kinderkliniken führten zu einem bürokratischen Mehraufwand.
„Sollte es zu keiner Abkehr von den DRG kommen, muss der bisherige Umfang an Fallpauschalen zumindest drastisch verringert werden“, heißt es weiter. 2003 startete der DRG-Katalog mit 664 Pauschalen, heute sind es rund 1.300. Auch die Hauptversammlung des MB hat sich am Wochenende per Antrag für die Abschaffung des DRG-Systems ausgesprochen.
Darüber hinaus müsste es mehr Opt-out-Lösungen bei Patienteneinwilligungen und Einverständniserklärungen geben. Bei vielen medizinischen Fragen, wie Aufklärungen für Eingriffe könne man davon ausgehen, dass Einwilligungen ohnehin von fast allen Patienten erteilt werden, schreibt die Task Force.
Beispielsweise bei Untersuchungen wie dem Neugeborenenhörscreening könne man davon ausgehen, dass die Eltern diese Behandlung auch wollten, sagte die erste Vorsitzende des MB, Susanne Johna heute bei einer Pressekonferenz. Diese Maßnahme würde Zeit sowie auch Papier sparen.
Abrechnungsarten insbesondere bei ambulanten Behandlungen in Kliniken müssten laut Task Force vereinheitlicht beziehungsweise synchronisiert werden. Durch einheitliche Softwarelösungen und weniger Schnittstellenprobleme würde der Zeitaufwand zusätzlich reduziert, schlägt der MB vor.
Verpflichtende Standards
Auch bei der Dateneingabe in den Krankenhäusern dürfe es künftig keine IT-Insellösungen mehr geben, sondern einheitliche Schnittstellen, so dass die Ärzte nicht mehr die gleichen Daten nicht in mehrere Systeme eingeben müssten.
Der MB sieht es als erforderlich an, dass die Softwareanbieter gesetzlich auf eine Datenarchitektur mit standardisierten Schnittstellen verpflichtet werden. Auch dazu hatte die MB-Hauptversammlung am Wochenende einen entsprechenden Beschluss gefasst.
Um mehrfache Prüfungen durch den Medizinischen Dienst (MD) zu vermeiden, schlägt der MB zudem die Erstellung eines Krankenhausregisters pro Bundesland vor. In diesem müssten die jeweils einmal überprüften Kriterien verzeichnet werden und Kliniken würden verpflichtet Änderungen dem MD zu melden.
Diesen Vorschlag brachte Johna vorgestern ebenfalls bei der Hauptversammlung an. Damit Kliniken entsprechende Änderungen auch melden, könnte es auch Strafen geben, erklärte sie. Damit könnten aber doppelte und dreifache Überprüfungen des MD verhindert werden.
Bei der Qualitätssicherung sieht der MB ebenfalls viel Potenzial, um Bürokratie abzubauen. Insbesondere kritisierte die Task Force die Belastung durch die umfangreiche Erfassung von Datensätzen zur externen Qualitätssicherung. Dies vernachlässige wiederum das interne Qualitätsmanagement. Die Task Force fordert eine Reduzierung der gesetzlichen Vorgaben sowie die Streichung eines Moduls der Qualitätssicherung, wenn eine neue Anforderung implementiert wird.
Zudem sollte der Fokus mehr auf Stichproben und der Verwendung bereits vorhandener Daten wie etwa Abrechnungsdaten gelegt werden, statt einer Vollerhebung nur zum Zwecke der Qualitätssicherung. Hierzu soll hat auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) beauftragt, entsprechende Kriterien zur Aussetzung und/oder Aufhebung von Qualitätsindikatoren zu entwickeln. Ergebnisse sollen Mitte dieses Jahres vorliegen.
Neben den Vorschlägen für den stationären Bereich will sich die Task Force im nächsten Schritt auch mit Möglichkeiten für den ambulanten Bereich beschäftigen. Hier soll es insbesondere darum gehen, wie der ambulante und der stationäre Bereich einfacher Daten austauschen können, ohne dass ein Mehraufwand für die Ärztinnen und Ärzte entsteht, so Johna.
Die Task Force hat die Vorschläge Ende April zudem einigen Bundestagsabgeordneten des Gesundheitsausschusses sowie Expertinnen und Experten des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) vorgestellt. „Die Resonanz auf das Papier war durchweg positiv“, erklärte Johna.
Hinterfragt wurde hingegen vor allem der Vorschlag zur Reduzierung von Qualitätssicherungsanforderungen mit der Befürchtung, dass damit weniger Transparenz entstünde Allerdings haben sich inzwischen weitere Gesprächsanfragen vonseiten des BMG und Bundestagsabgeordneten zu diesem Thema ergeben.
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