Diskussion um geplante Regeln für neue Quarantänevorgaben

Berlin – Vor den Beratungen von Bund und Ländern über die Coronalage wird angesichts der sich rasant ausbreitenden Omikron-Variante des Virus SARS-CoV-2 der Ruf nach weiteren Kontaktbeschränkungen lauter.
„Wir werden wahrscheinlich noch einmal zulegen müssen“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gestern Abend im ZDF-„heute journal“. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann rief dazu auf, berufliche Kontakte einzuschränken und Homeoffice auszuweiten. Auch die Kommunen erwarten verschärfte Kontaktbeschränkungen.
Die Ministerpräsidentenkonferenz berät morgen erneut mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über das Vorgehen in der Pandemie. Aus Sicht der Bundesregierung dürfte die ansteckendere Omikron-Variante schon in wenigen Tagen auch deutschlandweit dominierend sein.
Lauterbach und die Ressortchefs der Länder legten gestern jeweils Vorschläge zu künftigen Quarantänevorgaben vor – mit kürzeren Auszeiten für Personal in wichtigen Versorgungsbereichen, geknüpft an PCR-Tests. Lauterbach betonte am Abend im ZDF, damit würden solche Bereiche lebensfähig gehalten.
Es wird befürchtet, dass die wieder anziehenden Infektionszahlen sonst zu Personalengpässen in wichtigen Teilen der Infrastruktur wie Polizei, Feuerwehr, dem medizinischen und pflegerischen Bereich sowie der Energie- und Wasserversorgung führen könnten.
Der Minister warnte davor, die Gefahren durch Omikron wegen der Berichte über leichtere Verläufe herunterzuspielen. Omikron werde bei vielen bleibende Schäden hinterlassen. „Das kann man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Hier werden viele schwer krank werden“, warnte Lauterbach.
Er halte weitergehende Kontaktbeschränkungen für notwendig, sagte der Minister, ohne Details zu nennen. Der beste Schutz vor Omikron seien aber die Boosterimpfungen. Lauterbach rief dazu auf, das hohe Impftempo wie vor Weihnachten wieder aufzunehmen. Gut 40 Prozent der Bevölkerung haben inzwischen eine Boosterimpfung.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer warnte vor einer generelle Verringerung der Quarantäne. „Omikron ist extrem gefährlich, gerade für ungeimpfte Personen. Daher gibt es keinen Grund für eine generelle Verringerung der Absonderungszeiten“, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Kretschmer kritisierte die laufende Debatte als „zu einseitig“. Politiker sollten auch nicht die ersten sein, die Vorschläge zu Quarantäneregeln machen, sondern die Experten des Robert-Koch-Instituts, sagte er. Die Politik solle nicht den Versuch unternehmen, dem Virus einen politischen Willen aufzuzwingen.„Medizinische Notwendigkeiten müssen uns leiten, wenn wir diese Pandemie überstehen wollen.“
Der Epidemiologe Hajo Zeeb wies unterdessen auf die Wichtigkeit von Tests bei einer möglichen Verkürzung der Quarantäne hin. Bisherige Erkenntnisse sprächen dafür, dass der Großteil der Übertragungswahrscheinlichkeit bei der Omikron-Variante in den ersten sieben Tagen nach der Ansteckung liege, erläuterte der Experte vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen.
Wenn man hier einen PCR-Test oder zwei Schnelltests einführe, „könnte das ein Weg sein, die Isolation von Infizierten früher zu beenden, und so von den langen 14 Tagen herunterzukommen“. Für Quarantäne von Kontaktpersonen könnte ähnliches gelten, teilte Zeeb weiter mit. Ganz auf Quarantäne für Geboosterte zu verzichten „dürfte aber keine gute Idee sein“. Omikron werde beispielsweise etwa 2,5- bis 3,5-fach infektiöser als Delta eingestuft.
Der Immunologe Reinhold Förster hält die vorgeschlagene Verkürzung der Coronaquarantäne auf sieben Tage für vertretbar. „Omikron wird die vorherrschende Variante sein, innerhalb von wenigen Tagen wird sie hier Delta weitgehend verdrängt haben. Und somit müssen wir uns darauf einstellen, mit sehr hohen Fallzahlen klarzukommen. Von daher ist die Reduktion der Quarantäne erstmal sinnvoll“, sagte der Wissenschaftler von der Medizinischen Hochschule Hannover im ARD-„Morgenmagazin“.
Die Quarantäne für Geboosterte grundsätzlich entfallen zu lassen, bezeichnete Förster als „bemerkenswerten Schritt, wenn der so umgesetzt wird“. „Man könnte hier noch überlegen, ob man den Maskenstatus berücksichtigt.“ Bei einem Kontakt, bei dem der Infizierte und die Kontaktpersonen FFP2-Masken getragen haben, dürfte nichts passieren. „Bei den anderen Situation: Ich glaube, da ist dann schon jeder sehr gefordert und muss selbst darüber entscheiden, inwieweit er weiteren Kontakten nachgeht in dieser Zeit“, so Förster.
Der Immunologe machte zudem deutlich, dass in der Omikron-Welle seiner Ansicht nach nur Boosterimpfungen „wirklich etwas bringen“. „Für Menschen, die bisher gar nicht immunisiert sind, ist mit der Impfung in dieser Welle natürlich nicht mehr viel zu machen. Diese Menschen sind einfach zu spät dran.“
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine solide Basis für mögliche neue Coronabeschränkungen und eine allgemeine Impfpflicht gefordert. „Wir brauchen Vorsicht, wir brauchen Augenmaß, aber auf verlässlicher Zahlenbasis, auf vernünftigen, nachvollziehbaren wissenschaftlichen Entscheidungen, die dann auch vor Gericht standhalten", sagte Söder heute im Sender Bild.
Der Expertenrat der Bundesregierung müsse vor der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) morgen eine Empfehlung vorlegen, wie gefährlich die Omikron-Variante sei. Mögliche Entscheidungen der MPK etwa zu Kontaktbeschränkungen seien womöglich zu früh, „weil wir da noch etwas im Nebel stochern werden“. „Wenn es weitere Maßnahmen geben sollte, dann müssen die gut wissenschaftlich begründet sein“, forderte Söder. Zudem drang der CSU-Chef auf einheitliche Regeln.
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