Doping-Verdacht: Tramadol steigert Leistung im Radsport

Granada – Das Opioid Tramadol, das derzeit nicht auf der Dopingliste der World Anti-Doping Agency (WADA) steht, hat in einer placebokontrollierten Doppelblindstudie die Leistungsfähigkeit auf dem Fahrradergometer gesteigert. Dieser Vorteil wurde laut der Publikation im Journal of Science and Medicine in Sport (2017; doi: 10.1016/j.jsams.2017.10.032) jedoch wieder aufgehoben, wenn die Sportler während des Radelns einen visuellen Aufmerksamkeitstest absolvieren mussten.
Die Grenzen zwischen medizinischer Behandlung und Doping sind beim Leistungssport fließend. So haben auffallend viele Ausdauersportler eine Asthmadiagnose. Sie dürfen laut der WADA-Liste bestimmte inhalative Beta2-Agonisten wie Salbutamol verwenden, obwohl diese Mittel ihnen durch eine Erweiterung der Bronchien im Prinzip auch einen Vorteil im Wettbewerb verschaffen – weshalb orale oder gar parenterale Beta2-Agonisten strikt verboten sind.
Eine ähnliche Situation besteht bei Schmerzmitteln. Einerseits sind sie zur Behandlung von Verletzungen medizinisch indiziert. Gleichzeitig erlauben sie den Sportlern jedoch, im Wettbewerb über ihre Schmerzgrenzen zu gehen. Derzeit wird ein möglicher Missbrauch von Tramadol diskutiert. Das Mittel, das als Opioid eigentlich zur Behandlung schwerer Schmerzen induziert ist, wird dem Vernehmen nach gerne bei leichten Sportverletzungen eingesetzt, damit die Sportler weiter ihre volle Leistung bringen können.
Ein Team um Daniel Sanabria von der Universität Granada hat jetzt untersucht, ob Tramadol die Leistung beim Radsport steigert. Dazu wurden 30 Radsportler 120 Minuten nach der Einnahme von Tramadol oder Placebo zu einem Leistungstest gebeten. Die Teilnehmer der Tramadol-Gruppe erreichten eine Leistung von 220 Watt, in der Placebo-Gruppe waren es 209 Watt, also etwa 5 Prozent weniger. Dies könnte in einem Radrennen durchaus über Sieg oder Platz entscheiden.
Bei einem echten Radrennen sind jedoch nicht nur die Muskeln der Radler gefordert, sondern auch ihre mentalen Fähigkeiten. Sie müssen beispielsweise blitzschnell auf Schlaglöcher oder Bremsmanöver anderer Fahrer reagieren. Um dies zu simulieren, mussten die Radler in einem zweiten Rennen einen sogenannten „Odd ball“-Test bestehen. Dabei müssen sie auf bestimmte visuelle Reize reagieren.
Die damit verbundenen mentalen Anstrengungen führten dazu, dass die Radler durch Tramadol keinen Leistungsvorteil mehr hatten. Dabei hat Tramadol die Aufmerksamkeit nicht beeinträchtigt. Die Probanden machten nicht mehr Fehler als in der Placebogruppe. Die EEG-Analyse ließ laut Sanabria jedoch erkennen, dass es den Patienten der Tramadolgruppe schwerer fiel, sich zu konzentrieren. Warum darunter die motorische, nicht aber die mentale Leistung gelitten hat, konnte der Hirnforscher jedoch nicht erklären.
Mediziner dürften die zentralnervösen Nebenwirkungen von Tramadol nicht überraschen. Sie sind gewohnt, ihre Patienten auf Somnolenz, Benommenheit und Sehstörungen als Nebenwirkungen unter Tramadol hinzuweisen und sie vor der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder dem Bedienen von Maschinen oder Arbeiten ohne sicheren Halt zu warnen.
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