Drei-Eltern-Baby: Mitochondrien-Transfer nur teilweise erfolgreich

New York – Der an einer Eizelle vorgenommene Mitochondrien-Transfer, der im letzten Jahr zur Geburt des weltweit ersten „Drei-Eltern-Babys“ geführt hat, war technisch betrachtet nur teilweise erfolgreich. Die Mutation, die zum Leigh-Syndrom führen kann, war bei dem Kind im Alter von sieben Monaten in 5,7 Prozent der Mitochondrien nachweisbar, ohne dass es laut einem Bericht in Reproductive BioMedicine Online (2017; doi: 10.1016/j.rbmo.2017.01.013) jedoch zu Krankheitszeichen gekommen war. Inzwischen wurde bekannt, dass erste Kinder mit drei Eltern bereits Ende der 1990er Jahre gezeugt wurden, ohne dass dies geplant war.
Das Leigh-Syndrom gehört zu den erblichen Mitochondriopathien, denen genetische Defekte in den Mitochondrien zugrunde liegen. Die Mitochondrien, die nach der Endosymbiontentheorie in der Frühphase der Evolution durch Einverleibung von voreukaryotischen „Urzellen“ entstanden sein sollen, haben als einziges Organell der menschlichen Zelle eigene Gene, die für die Energieproduktion benötigt werden. Eine verminderte Energiebereitstellung führt beim Leigh-Syndrom vor allem in den stark Energie-verbrauchenden Hirnzellen zu Ausfällen. Es kommt zu einer subakuten nekrotisierenden Enzephalomyelopathie, an der viele Patienten bereits im Kindesalter sterben.
Auch eine 36-jährige US-Amerikanerin, deren Mitochondrien zu 23 Prozent (Haarwurzeln) bis 42 Prozent (Zellen im Urin) durch die Mutation 8993 T>G geschädigt waren, hatte nach mehreren Fehlgeburten bereits zwei Kinder im Alter von acht Monaten und sechs Jahren verloren, als sie sich an das New Hope Fertility Center in New York wandte. Dort erklärte man ihr, dass es möglicherweise eine Lösung gäbe, die aber aus rechtlichen Gründen in den USA nicht durchführbar sei. Doch die US-Gesetze ließen sich durch eine Behandlung im Ausland umgehen.
Die Mediziner entnahmen der Frau nach einer hormonellen Stimulation eine Reihe von Eizellen, die dann kryokonserviert an eine Filiale der IVF-Klinik nach Guadalajara in Mexiko geschickt wurden. Dort wurde der Kern aus der Eizelle der Mutter entfernt und in die Eizelle einer Spenderin transferiert. Aus der Spenderzelle war zuvor der Zellkern entfernt worden. Die entstandene Eizelle hatte das Erbgut von zwei Frauen: Den Zellkern mit der mütterlichen DNA und die mitochondriale DNA der anonymen Spenderin. Diese Eizelle wurde dann mittels intrazytoplasmatischer Spermieninjektion mit den Genen des Vaters befruchtet, was am Ende ein Wesen mit den Genen von drei Elternteilen ergibt.
Dieses Verfahren ist nicht nur rechtlich fraglich und ethisch umstritten. Es stellt sich auch die Frage, ob die Behandlung technisch erfolgreich war, ob es also gelungen war, den Zellkern aus der Eizelle der Mutter völlig ohne die im Zytoplasma befindlichen Mitochondrien zu übertragen.
Die Antwort ist ein klares Jein. Es ist einerseits nicht gelungen, den Nukleus frei von Mitochondrien zu übertragen. Nach den von John Zhang vom New Hope Fertility Center und Mitarbeitern jetzt vorgestellten Ergebnissen, weisen die Mitochondrien des Kindes zu 2,36 Prozent (Urin) bis 9,23 Prozent (Vorhaut) die Mutation 8993 T>G auf. Der Anteil ist höher als erwartet. Auf der anderen Seite ist der Anteil geringer als bei der Mutter, die selber gesund ist. Laut Zhang besteht deshalb die Hoffnung, dass das Kind, ein bei Manuskriptabgabe sieben Monate alter Junge, gesund bleibt. Sicher ist dies jedoch nicht, da es keine Informationen über den Anteil der betroffenen Mitochondrien im Gehirn gibt.
Interessant sind in diesem Zusammenhang die Langzeitergebnisse einer Variante der In-vitro-Fertilisation (IVF), die zwischen 1996 und 2001 am Saint Barnabas Medical Center in New York erprobt wurde. Damals wurde vermutet, dass der Misserfolg der IVF möglicherweise mit einer Schwäche des Zytoplasmas in der Eizelle zusammenhängen könnte.
Es wurde deshalb parallel zur intrazytoplasmatischen Spermieninjektion eine sogenannte Ooplasma-Transplantation durchgeführt. Das Ooplasma stammte von einer anonymen Spenderin. Bei der Ooplasma-Transplantation dürften nach heutigem Kenntnisstand auch Mitochondrien übertragen worden sein, was in mindestens zwei Fällen später auch bestätigt wurde. Die ersten Kinder mit drei Eltern wurden demnach bereits in den 1990er Jahren geboren.
Laut Serena Chen vom Saint Barnabas Medical Center sind 33 Frauen behandelt worden, von denen 13 insgesamt 17 Kinder gebaren. Zwölf der 13 Familien (bis auf eine Familie Mutter von Vierlingen) beantworteten einen Fragebogen und laut einer Auswertung, die Chen im letzten Jahr in Reproductive BioMedicine Online (2016; 33: 737-744) publizierte, hat es keine Auffälligkeiten in der Entwicklung der Kinder gegeben.
Die Schulnoten der Kinder seien gut bis ausgezeichnet. Die Kinder erfreuten sich guter Gesundheit. Bis auf ein Kind hätten alle einen normalen Body Mass Index (BMI). Ein Kind leide an chronischen Migräne-Kopfschmerzen, zwei weitere unter leichtem Asthma, drei Kinder hätten leichte Sehstörungen und drei geringe Hautprobleme. Bei einem Kind wurde eine grenzwertige tiefgreifende Entwicklungsstörung diagnostiziert.
Für die Herausgeber von Reproductive BioMedicine Online bleibt die Behandlung kontrovers. Um den Zellkern der mütterlichen Eizelle in die Spender-Eizelle zu integrieren, wurde ein Verfahren verwendet, das als Elektrofusion bezeichnet wird. Dabei wird die Eizelle einem kurzen Stromstoß ausgesetzt, die die Fusion erleichtert. Bei diesem Verfahren kommt es häufiger zu einer Schädigung der Eizelle, die sich durch eine Aneuploidie bemerkbar macht, also einer numerischen Chromosomenaberration, bei der einzelne Chromosomen zusätzlich zum üblichen Chromosomensatz vorhanden sind oder fehlen. Diese Zellen werden zwar von der IVF ausgeschlossen. Die Elektrofusion könnte allerdings auch ein Zeichen für andere Schäden am Erbgut sein, die bei der IVF noch nicht erkennbar sind.
Ein Mitochondrien-Transfer wäre in Deutschland nach dem Embryonenschutzgesetz nicht erlaubt. In den USA ist die rechtliche Lage unklar. Das Institute of Medicine hat sich in einem Report positiv zum Mitochondrien-Transfer geäußert. Die US-Arzneibehörde FDA ist jedoch rechtlich mit dem Versuch gescheitert, den Mitochondrien-Transfer als „Investigational New Drug“ (IND) genehmigungspflichtig zu machen. Die britische Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) hat dem Verfahren zugestimmt. Die IVF-Kliniken können seit Dezember Anträge stellen. Einer soll bereits genehmigt worden sein. Eine Klinik aus der Ukraine meldete im Januar die Geburt eines ersten Kindes mit der DNA von drei Eltern.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: