Politik

Lauterbach will Gesundheitswesen für „militärische Konflikte“ rüsten

  • Montag, 4. März 2024
Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, sprich bei einer Pressekonferenz zur Früherkennung und Versorgung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. /picture alliance, Britta Pedersen
Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit /picture alliance, Britta Pedersen

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will das deutsche Gesundheitswesen besser gegen Krisen und auch für militärische Konflikte wappnen. Deutschland müsse sich nicht nur für künftige Pandemi­en, sondern „auch für große Katastrophen und even­tuelle militärische Konflikte besser aufstellen“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Er rechne mit der Vorlage eines Gesetzentwurfs im Sommer.

Lauterbach argumentierte: „Es braucht auch eine Zeitenwende für das Gesundheitswesen. Zumal Deutschland im Bündnisfall zur Drehscheibe bei der Versorgung von Verletzten und Verwundeten auch aus anderen Län­dern werden könnte.“

Als Reaktion auf die Pandemie habe die Ampelkoalition vereinbart, die Strukturen des Gesundheitssystems für große Krisen besser zu rüsten. „Nach dem verbrecherischen russischen Angriff auf die Ukraine hat diese He­rausforderung leider an Bedeutung gewonnen“, sagte Lauterbach. „Und deswegen haben wir eine Gesetzes­lücke, die wir angehen, um für einen Katastrophenfall oder sogar einen militärischen Bündnisfall – so un­wahrscheinlich er ist – vorbereitet zu sein.“

Die Konturen des Gesetzes umschrieb Lauterbach so: „Im Krisenfall muss jeder Arzt, jedes Krankenhaus, jedes Gesundheitsamt wissen, was zu tun ist. Wir brauchen klare Zuständigkeiten – etwa für die Verteilung einer hohen Zahl an Verletzten auf die Kliniken in Deutschland.“

Auch die Meldewege und die Möglichkeiten von Patientenverlegungen im gesamten Bundesgebiet müssten klar sein. Und die Vorschriften zur Bevorratung reichten nicht aus. „Schließlich muss für den Krisenfall der Einsatz und die Verteilung von medizinischem Personal geklärt sein. Und all das muss geübt werden.“

Panikmache sieht der Minister in den Plänen nicht. „Es wäre albern zu sagen, wir bereiten uns nicht auf einen militärischen Konflikt vor, und dann wird er auch nicht kommen. Nach der Logik bräuchte man auch keine Bundeswehr. Nichtstun ist keine Option.“

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen pflichtete Lauterbach bei. Es brauche dringend ein landes­weites Lagebild über die Kapazitäten und die Leistungsfähigkeit der Gesundheitsversorgung. „Wir sollten tagesaktuell wissen, wie viel Verletzte oder Erkrankte können wir wo, wie, wann und wie lange versorgen“, schrieb er auf der Plattform X (früher Twitter).

Die Achillesferse der Gesundheitsversorgung in Deutschland sei die Abhängigkeit von globalen Lieferketten für Medizinprodukte und Arzneimittel. Es brauche genügend Vorräte und den Aufbau dezentraler Reserveka­pa­zitäten.

„Die andauernden Kriege und Krisen machen es erforderlich, dass wir uns auch auf die Versorgung einer gro­ßen Anzahl Verletzter und Erkrankter einstellen“, erklärte Dahmen weiter. „Das geht nur mit guter zivilmilitä­rischer Zusammenarbeit und einer bundesweiten Steuerung der Patientenzuweisungen und Transporte.“ Kri­sen, Katastrophen und Kriege müssten regelmäßig geübt werden – nicht nur in einzelnen Krankenhäusern.

CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek (CSU) erhob Vorwürfe im Zusammenhang mit Lauterbachs Vorhaben, das Gesundheitswesen für militärische Konflikte zu rüsten. Vor diesem Hintergrund sei es absolut unverständlich, dass Lauterbach einen Strukturwandel mit einer Krankenhausreform zulasse, der dezentrale Versorgungsein­richtungen in der Fläche verschwinden lasse.

„Ohne Krankenhäuser in der Nähe stehen wir im Ernstfall hilflos da“, sagte Holetschek, der bis Herbst noch bayerischer Gesundheitsminister war. „Wir brauchen eine Krankenhausreform, die die ländlichen Räume nicht im Stich lässt und jetzt unbedingt neue finanzielle Mittel, um die strukturellen Defizite auszugleichen.“

Vom Verein demokratischer Ärzt*innen hieß es, man stelle sich einer „weiteren Militarisierung des Gesund­heits­wesens mit einem lauten Nein entgegen“. Selbstverständlich sei es die professionelle Aufgabe für Ärz­tinnen und Ärzte, Opfer militärischer Konflikte medizinisch bestens zu versorgen.

Politisch sei es aber die Aufgabe immer wieder auf die verheerenden gesundheitlichen sowie humanitären Auswirkungen von Kriegen hinzuweisen und sich dafür einzusetzen, dass Kriege gar nicht geführt, eskaliert und aktuelle Kriege gestoppt würden.

Eine Debatte gibt es derzeit auch um den Sanitätsdienst bei der Bundeswehr. Das Bundesverteidigungsminis­terium (BMVG) plant Medienberichten zufolge, den Sanitätsdienst bei der Bundeswehr (SanDstBw) als eigene Organisationseinheit aufzulösen. Das stößt bei nahezu allen Akteuren im Gesund­heits­we­sen unisono auf erheblichen Widerstand.

Sie machten in einem Brief vom 27. Februar dieses Jahres an Bundesverteidigungsminister Boris Pisto­rius (SPD), der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, gemeinsam mobil gegen das Vorhaben. Das Schreiben ist auch an die Wehrbeauftragte Eva Högl und die Obleute des Verteidigungsausschusses im Bundestag gegangen. Eine Antwort steht noch aus.

dpa/may

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