Ärzteschaft

Ärzteprotest gegen Umbau des Sanitätsdienstes geht weiter

  • Mittwoch, 6. März 2024
Boris Pistorius (SPD, r), Bundesminister der Verteidigung, nimmt an einer Vorführung mit einem Soldaten, der einen Verwundeten darstellen soll, in einem Sanitätszelt anlässlich seines Antrittsbesuchs beim Sanitätsdienst der Bundeswehr im Bundeswehrkrankenhaus Ulm teil. /picture alliance, Marijan Murat
Boris Pistorius (SPD, r), Bundesminister der Verteidigung, nimmt an einer Vorführung mit einem Soldaten, der einen Verwundeten darstellen soll, in einem Sanitätszelt anlässlich seines Antrittsbesuchs beim Sanitätsdienst der Bundeswehr im Bundeswehrkrankenhaus Ulm teil. /picture alliance, Marijan Murat

Berlin – Der Protest gegen die Pläne von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), den Sanitäts­dienst als eigene Organisationseinheit aufzulösen, ebbt nicht ab. Die Kassenärzt­liche Bundesvereinigung (KBV) erneuerte ihre Kritik. Zugleich wurde ein Brief von mehreren chirurgischen Fachge­sellschaften an Pistorius bekannt.

Bereits am vergangenen Freitag hatten sich KBV, Bundesärztekammer (BÄK), Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), Deutsche Kranken­hausgesellschaft (DKG) und Marburger Bund (MB) in einem Schreiben an den Minister gerichtet.

„Alleine diese große Absenderzahl ist schon bemerkenswert. Die Sorge um den Bestand des Sanitätsdienstes und um den Erhalt der notwendigen Professionalität der Gesundheitsversorgung der Soldaten einigt uns“, sagte jetzt KBV-Vize Stephan Hofmeister, der von 1995 bis 1998 als Schiffs- und Marinearzt gearbeitet hat und eine Weiterbildung zum Fliegerarzt gemacht hat.

Er betonte, der Sanitätsdienst der Bundeswehr (SanDstBw) in seiner jetzigen Struktur sei wegen seiner hohen Qualität der Aufgaben­erfüllung national und international anerkannt und hoch geschätzt. Es wäre fatal, die Eigenständig­keit und Fachlichkeit des Sanitätsdienstes aufzugeben.

Dies würde die unabdingbar erforderliche Zusammenarbeit zwischen zivilem Gesundheitswesen und Bundes­wehr massiv beeinträchtigen und im angespannten Arbeitsmarkt deutliche Nachteile im Wettbewerb um Medi­ziner und andere Gesundheitsfachberufe für die Bundeswehr bringen.

Mit einem Brief haben sich auch die wissenschaftlichen Fachgesellschaften des gesamten Gebietes Chirurgie und insbesondere die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) an den Minister gerich­tet.

„Die weiter zunehmende Bedeutung des Sanitätsdienstes in Krieg und Krise im Rahmen gesamtstaatlicher Aufgaben macht nach unserer Einschätzung die vollständige Eigen‐ und Führungsverantwortung mit Abbil­dung in der Hierarchieebene des Ministeriums erforderlich“, betonten Dietmar Pennig, Generalsekretär der DGOU und DGU, DGOOC-Generalsekretär Bernd Kladny und Thomas Schmitz‐Rixen, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie in dem Schreiben an Pistorius.

Der weitere notwendige Ausbau der zivil‐militärischen Zusammenarbeit zur Sicherstellung der Versorgung militärischer und ziviler Verletzten im Kriegsfall auch und gerade im Sinne der Daseinsfürsorge sei „nur auf diese Weise möglich“.

Die Mediziner weisen darauf hin, dass der Sanitätsdienst der Bundeswehr eine herausgehobene Verantwor­tung für den besonderen Aufgabenbereich Gesundheitsversorgung im Sinne einer gesamtstaatlichen Aufgabe hat. Die Aus­weitung des jetzigen Konfliktes in der Ukraine sei „keine theoretische Überlegung mehr“. Nach Ansicht der Fachgesellschaften muss in der zivil‐militärischen Zusammenarbeit damit geplant werden.

Es seien Vorkehrungen zu treffen, die sehr schnell an ihre Kapazitätsgrenzen kommenden Bundes­wehrkran­kenhäuser mit den mehr als 650 zivilen Krankenhäusern des Traumanetzwerks zu verbinden und eine ge­meinsame Organisationsform zu entwickeln. „Die Versorgung des verletzten militärischen Personals und der betroffenen Gesamtbevölkerung ist hierbei als Daseinsvorsorge zu definieren“, schreiben sie.

Die Chirurgen stellen zudem klar, dass die Ärztinnen und Ärzte des Sanitätsdienstes fachlich und standes­rechtlich weisungsunabhängig handeln können müssten. Eine „Anordnungsbefugnis durch einen Nichtarzt“ sei „nicht hinnehmbar“. Eine ungebrochene Verantwortungskette wäre in diesem Fall nicht gegeben, heißt es weiter.

Sie betonen auch, dass es nicht zuletzt um die Frage des Nachwuches geht. Die Attraktivität des Sanitäts­dienstes im ärztlichen, aber auch im pflegerischen Bereich sei „direkt verknüpft mit der Einordnung in die Gesamtstruktur des Bundesministeriums für Verteidigung“. Die herausgehobene Bedeutung müsse nach zwangsläufig auf Augenhöhe mit den zivilen Strukturen des ärztlichen Berufsstandes bestehen bleiben.

Ende Februar hatte die Bild berichtet, dass Pistorius bei der Umstrukturierung der Bundeswehr vorsehe, den Sanitätsdienst und die Streit­kräftebasis in einem sogenannten Unterstützungsbereich zusammenzuführen. Die Streitkräftebasis ist ein Servicedienstleister unter anderem für die Logistik der Bundeswehr.

Nach Informationen des Onlinefachmagazins Defence Network würde eine Zusammenführung von Sanitäts­dienst und Streitkräftebasis eine Abwertung der Logistik und Gesundheitsversorgung bedeuten, da sie nicht mehr unter eigener Hoheit organisiert, ausgebildet und eingesetzt würden. Zudem solle der Unterstützungs­bereich nur noch von einem Kommandeur unterhalb des Dienstgrades der Inspekteure geführt werden.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte kürzlich einen Gesetzentwurf angekündigt, um be­stehende Lücken zivil-militärischer Fragestellungen zu schließen. Lauterbach argumentierte: „Es braucht auch eine Zeitenwende für das Gesundheitswesen. Zumal Deutschland im Bündnisfall zur Drehscheibe bei der Ver­sorgung von Verletzten und Verwundeten auch aus anderen Län­dern werden könnte.“

may

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