Politik

Deutliche Kritik am geplanten Transparenz­verzeichnis

  • Montag, 28. August 2023
/gpointstudio, stock.adobe.com
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Berlin – Zum 1. April 2024 will der Bund ein umfangreiches Transparenzverzeichnis der bestehenden Kranken­haus­land­schaft veröffentlichen. Ziel ist es, über die Qualität der Krankenhäuser sowie vorhandene Leistungs­angebote besser zu informieren. Das interaktiv und leicht verständlich geplante Onlineportal soll sich insbe­sondere an Patienten aber auch an die Ärzteschaft richten.

Seit Mitte August liegt ein entsprechender Gesetzentwurf vor. Das verantwortliche Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat allen Verbänden eine Stellungnahmefrist bis zum 28. August eingeräumt. Übermorgen findet eine Verbändeanhörung zu diesem Gesetz statt.

Der Entwurf erntet von vielen Interessensgruppen und Verbänden deutliche Kritik. Das Vorhaben, die jeweili­gen Leistungsgruppen aller Krankenhäuser aufzulisten, bevor diese Gruppen rechtlich überhaupt genau defi­niert sind, sorgt zudem für Irritation unter den Beteiligten. Zudem gibt es einige Vorschläge, welche Daten zusätzlich im Transparenzverzeichnis veröffentlicht werden sollten.

Der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) begrüßen in ihren Stellungnahmen grundsätzlich das Ziel, die Transparenz und damit auch Orientierung und Entscheidungs­autonomie von Patienten zu stärken. Auch der Verband der Ersatzkassen (vdek) und der AOK-Bundesverband befürworten das Vorhaben.

Der AOK-Bundesverband nennt die geplante Umsetzung zum 1. April 2024 allerdings sehr ambitioniert. „Es sollte berücksichtigt werden, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für die stationäre Versorgung erst mit Abschluss der Krankenhausreform abschließend bestimmt werden“, schreibt die AOK in ihrer Stellungnahme. Daher sollten die Gesetzgebungsverfahren und darin vorgesehene Fristen miteinander synchronisiert werden.

Sorge vor „gelenkter Staatsmedizin“

Die KBV warnt auf der anderen Seite vor einer unmittelbaren, bis ins Detail gelenkten Staatsmedizin. Kritik übt die KBV konkret an der geplanten Umgehung des zuständigen Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) durch einen im Gesetzentwurf vorgesehenen Direktzugriff des BMG auf das Institut für Qualität und Wirt­schaftlichkeit (IQTIG).

Das IQTIG soll prioritär die Datenverarbeitung für das Transparenzverzeichnis übernehmen, heißt es im Ge­setzentwurf. Weitere Aufträge sollen demnach hintenangestellt werden. Damit würden der KBV zufolge aber bisherige Erfolge zu Qualitätssicherungsverfahren gefährdet. „Vielmehr wird durch uneinheitliche Zuständig­keit und Ansprache der Weg in eine unmittelbar staatlich gelenkte, von der Selbstverwaltung entkoppelte, Gesundheitsversorgung gebahnt“, warnt die KBV.

Dies kritisiert auch die Bundesärztekammer (BÄK) deutlich und nennt den Durchgriff des BMG auf das IQTIG „einen schwerwiegenden staatlichen Eingriff in die Unabhängigkeit von Einrichtungen der Selbstverwaltung und der Entscheidungsspielräume der Selbstverwaltungsorgane“.

Die unparteiischen Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) lehnen den Entwurf in der vorliegenden Fassung insbesondere aus diesen Gründen gänzlich ab. Sie äußern Zweifel, dass das geplante Transparenzverzeichnis verfassungsrechtlich vereinbar sei.

Die Priorisierung des IQTIG stehe in diametralem Widerspruch zur gesetzlich vorgesehenen umfassenden Steuerungsfunktion des G-BA und zu den prägenden Strukturprinzipien des Sozialgesetzbuches V (SGB V), heißt es in ihrer Stellungnahme. Diese seien darauf ausgerichtet, die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten und Störungen in der Patientenversorgung zu verhindern.

Die BÄK unterstütze hingegen das Vorhaben des Transparenzverzeichnisses grundsätzlich und es sei gut, dass künftig auch über die ärztliche Personalausstattung informiert werden solle. Allerdings müssten die vorgese­henen Regelungen sorgfältig auf ihre Eignung und Auswirkungen hin geprüft werden, merkt die BÄK in ihrer Stellungnahme an. So weise das Verzeichnis aus methodischer Sicht erhebliche Schwächen auf. „Das Ziel einer besseren Transparenz für Patientinnen und Patienten wird damit nicht erreicht werden können.“

Zudem zweifelt die BÄK an dem Kausalzusammenhang zwischen der Veröffentlichung von Qualität und der damit dem Gesetzentwurf zufolge einhergehenden Verbesserung der Behandlungsqualität. Dieser Zusammen­hang sei wissenschaftlich nicht belegt, betonte die BÄK in ihrer Stellungnahme. Der Marburger Bund (MB) merkt dies ebenfalls in seiner Stellungnahme an.

Darüber hinaus werde das Verzeichnis der BÄK zufolge Vorentscheidungen für den Reformprozess treffen sowie teils kontraproduktive Anreize auslösen, die die Länder im Rahmen ihrer Krankenhausplanung nicht ausgleichen können.

Der Gesetzentwurf lasse weiter offen, wann eine Personalausstattung wirklich für eine gute Patientenversor­gung ausreiche. Hier sei das Personalbemessungssystem der BÄK erforderlich, das gerade entwickelt wird. Außerdem blieben sektorübergreifende Gesichtspunkte ausgeblendet, bemängelt die BÄK.

Kritik an bürokratischem Mehraufwand

Schwierig sei auch der Mehraufwand, der durch die weiteren zusätzlichen „kleinteiligen Meldepflichten“ ent­stünde, so die BÄK. Das Vorhaben sehe demnach einen Bürokratieaufbau vor statt des versprochenen Bürokra­tieabbaus.

Das führe zu einer weiteren Demotivation des klinisch tätigen Krankenhauspersonals, prognostiziert die BÄK. Auch der Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDPK) lehnt das geplante Transparenzvorhaben insbeson­dere aufgrund verstärkten bürokratischen Aufwands ab. Der Verband der leitenden Krankenhausärztinnen und -ärzte (VLK) fordert ebenfalls, dass der Bürokratieabbau im Mittelpunkt stehen müsse. So könne die Verbesserung der Qualität der Patientenversorgung in den Vordergrund treten.

Die geplante Einteilung der Kliniken in Level sieht die BÄK ebenfalls kritisch. Dass die Level im Wesentlichen über die Zahl der Leistungsgruppen definiert werden, hält sie nicht für sachgerecht. Stattdessen müsse es vielmehr um medizinisch sinnvolle Verknüpfungen von Leistungsgruppen gehen.

Zwar unterstützten die Krankenhäuser das Ziel der Weiterentwicklung der Qualitätsberichterstattung, aber das Vorhaben ignoriere und konterkariere bereits bestehende Maßnahmen, kritisiert die Deutsche Kranken­haus­gesellschaft (DKG) in ihrer Stellungnahme.

Der Entwurf erzeuge „ineffiziente Doppelstrukturen und zusätzliche Belastungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenhäuser“, so die DKG. Sie verweist insbesondere auf das bestehende Deutsche Kranken­hausverzeichnis. Das BMG hat die finanzielle Förderung dieses Verzeichnisses allerdings vor kurzem einge­stellt.

Zudem behindere die geplante Qualitätsdarstellung bezogen auf die Versorgungsstufen die Krankenhauspla­nungshoheit der Bundesländer, bemängelt die DKG weiter. Problematisch sei darüber hinaus, dass Qualitäts­daten aus dem vertragsärztlichen Bereich im geplanten Verzeichnis nicht berücksichtigt werden sollen. Aller­dings heißt es in der Begründung des Entwurfs, dass das Portal perspektivisch entsprechend weiterentwickelt werden soll.

Bestehende Qualitätsmaßnahmen nutzen

Der MB regt in seiner Stellungnahme an, anstatt des neuen Portals die Qualitätsberichte der Krankenhäuser in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Ähnlich argumentiert der Katholische Krankenhausverband Deutschland (kkvd).

Die geplanten Maßnahmen seien nicht erforderlich und verhältnismäßig, kritisiert der MB weiter. Die meisten Angaben befänden sich bereits jetzt in den Qualitätsberichten. Die geplanten Zuordnungen zu den Levels sieht der MB aber kritisch.

„Es ist zu befürchten, dass die Darstellung in Level zu einer falschen Wahrnehmung der Versorgung in den Krankenhäusern führt, wenn daraus der Schluss gezogen würde, dass für alle Erkrankungen die beste Versor­gung in Level-3-Krankenhäusern erfolgt“, schreibt der MB in der Stellungnahme. Die Zuordnung der ärztlichen Stellen zu Leistungsgruppen könnte zur Verwirrung führen, da die Leistungsgruppen noch gar nicht final aus­differenziert seien.

Auch der kkvd befürchtet, dass die geplante Leveleinteilung die Patienten in die Irre führen könnte. „Weder die Größe noch die Breite des Leistungsangebots ist maßgeblich dafür, welche Behandlungsqualität die Menschen in ihrer konkreten Situation erwarten können“, sagte die Geschäftsführerin des kkvd, Bernadette Rümme­lin. Vielmehr seien medizinische Expertise und Erfahrung die ausschlaggebenden Faktoren. „Diese Expertise und Erfahrung sind auch an mittleren und einigen kleinen Kliniken zu finden, wenn sie sich als Leuchttürme in einem Fachgebiet spezialisiert haben.“

Dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) geht die Leveleinteilung allerdings nicht weit genug. Es fehle eine Ausweisung „der besonderen Rolle der Universitätsmedizin“.

Der VUD plädiert deshalb für die Einführung einer eigenen Kategorie, das sogenannte Level 3U – Universitäts­klinika, das im Transparenzverzeichnis aufgeführt werden sollte. Auch die Arbeitsgemeinschaft der Wissen­schaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) spricht sich für die Ausweisung der Universitätsklinika per gesonderter Stufe aus. Zudem müssten die Notfallstufen des G-BA mit in das Verzeichnis aufgenommen werden.

Der GKV-SV spricht sich zudem dafür aus, Informationen über das Nichteinhalten der Mindestpersonalvor­ga­ben beim Pflegepersonal ebenfalls im Portal zu berücksichtigen. Außerdem sollten dauerhafte Ausnahmen der Bundesländer zur Erfüllung von Qualitätsanforderungen, sogenannte Ausnahmetatbestände, für jedes Krankenhaus ausgewiesen werden, fordert der GKV-SV.

Der Medizinische Dienst Bund schlägt vor, eine Meldepflicht für sogenannte Never-Events mit dem Portal ein­zuführen. Diese seltenen Ereignisse, etwa Seitenverwechslungen oder vergessene Fremdkörper seien eindeu­tig zu definieren und zu erkennen und sollten mit veröffentlicht werden. „Ziel ist es somit, Fehlerquellen sys­tematisch aufzuspüren, geeignete Präventionsmaßnahmen zu ergreifen und deren Wirksamkeit zu überprü­fen.“

cmk

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