Ebola-Helfer stellen Arbeit nach Gewalt im Kongo teilweise ein

Goma/Berlin – Nach gewalttätigen Protesten im Ost-Kongo haben die Helfer im Kampf gegen die Ebola-Epidemie ihre Arbeit vor Ort teilweise eingestellt. Bewohner der Stadt Beni hatten gegen die Unsicherheit und andauernden Angriffe durch Milizen protestiert und dabei einen Stützpunkt der UN-Friedenstruppen in der Stadt angegriffen. Wegen der Gewalt zogen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie mehrere NGOs, die den Ebola-Ausbruch bekämpfen, Mitarbeiter aus Beni ab, wie die Helfer heute mitteilten.
Eine Ebola-Klinik von Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Beni sei zwar weiterhin geöffnet, das Personal sei aber aus Sicherheitsgründen reduziert worden, sagte Brian Moller, der Notfallkoordinator von MSF in der Provinz Nord-Kivu. Die Kinderhilfsorganisation World Vision stellte nach eigenen Angaben ihre Arbeit in Beni vorübergehend komplett ein. Und die WHO hat laut eines Sprechers mehr als ein Drittel ihrer Mitarbeiter in die nahe liegende Stadt Goma verlegt.
Aufgebrachte Demonstranten hatten gestern in Beni in der Provinz Nord-Kivu einen Stützpunkt der UN-Friedenstruppen gestürmt und geplündert. Das Büro der Monusco genannten UN-Mission wurde nach Angaben eines UN-Sprechers beschädigt und Mitarbeiter wurden aus Sicherheitsgründen verlegt. In Beni sind demnach rund 700 Blauhelme aus Malawi und Indien stationiert.
Die Polizei ging auch gewaltsam gegen die Demonstranten vor, teilweise mit scharfer Munition, wie Amnesty International sagte. Mindestens ein Mensch sei dabei getötet worden. Die Vizepräsidentin einer zivilgesellschaftlichen Organisation in Beni, Noella Katsongerwaki, sprach von mindestens fünf Toten bei dem Vorfall.
Die Menschen waren wütend über die Sicherheitslage in und um Beni. Immer wieder greifen bewaffnete Gruppen Zivilisten an, vor allem die radikal-islamische Miliz ADF. Allein in den vergangenen zwei Wochen habe die ADF mehr als 70 Menschen getötet, berichtete eine von Human Rights Watch mitgegründete Organisation, die die Gewalt im Ost-Kongo dokumentiert. Am Wochenende kam es erneut zu einem Angriff mit mehreren Toten.
Sicherheit und Zungang nötig
Von den 120 nationalen und internationalen Mitarbeitern der WHO in Beni seien 49 nach Goma verlegt worden, sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier heute. Um Ebola effektiv bekämpfen zu können, „brauchen wir Sicherheit und Zugang“, betonte er. Die Leiterin von World Vision im Ost-Kongo, Helen Barclay-Hollands, sagte: „Dieser Ausbruch von Gewalt hätte nicht zu einem schlimmeren Zeitpunkt kommen können.“
Seit mehr als einem Jahr dauert die Ebola-Epidemie bereits an. Bislang sind den Behörden zufolge mehr als 3.300 Menschen erkrankt und knapp 2.200 Menschen gestorben. Der Ausbruch ist vor allem wegen der Instabilität in der Region so schwer in den Griff zu bekommen. Etliche Milizen sind dort aktiv, denen es meist um die Kontrolle über Gebiete und deren Bodenschätze wie Gold oder Kobalt geht. Immer wieder greifen sie Zivilisten und Ebola-Helfer an.
Keine Entwarnung
Erst gestern hatte Ärzte ohne Grenzen darauf hingewiesen, dass der Ebola-Ausbruch trotz eines Rückgangs von Neuinfektionen in den vergangenen Wochen eine ernste Gesundheitskrise bleibt. Demnach wurden im Oktober in neun Gesundheitszonen 70 neue Ebola-Patienten registriert, im September waren es 157. Das Zentrum der Neuinfektionen liegt nun zwischen Biakato, Mangina und Beni im Grenzgebiet der Provinzen Ituri und Nordkivu.
Der Hilfsorganisation zufolge besteht weiterhin das Risiko des Wiederauftretens von Ebola-Fällen in ehemaligen Brennpunkten der Epidemie. Ärzte ohne Grenzen hat deshalb zu verstärkten Anstrengungen bei der Identifizierung von Patienten und der Nachverfolgung ihrer Kontaktpersonen und zu einem breiteren Einsatz von Medikamenten und Impfstoffen aufgerufen. Zudem müsse mehr getan werden, um den anderen Gesundheitsproblemen in der Region, wie der grassierenden Masern-Epidemie, zu begegnen.
Insgesamt betreibt Ärzte ohne Grenzen derzeit vier Ebola-Behandlungszentren in Biakato, Beni, Goma und Bunia und zahlreiche dezentralisierte Isolations- bzw. Transitzentren für Verdachtspatienten. Die Teams unterstützen bestehende Gesundheitszentren bei der Prävention und Kontrolle von Infektionen sowie bei der Aufrechterhaltung der regulären Gesundheitsversorgung, stellen die Infrastruktur für sauberes Wasser, Sanitäreinrichtungen und Hygienemaßnahmen bereit und leisten Gesundheitsaufklärung zu Ebola und darüber hinaus.
Bevölkerung mehr einbeziehen
Ein Schwerpunkt ist die Einbeziehung der Bevölkerung in die Aktivitäten zur Bekämpfung von Ebola. Noch immer behindert Misstrauen gegen Behörden und Helfer in dem Konfliktgebiet die Ebola-Bekämpfung. So sei ein Problem, dass Ebola-Patienten zu spät in den Behandlungszentren ankommen – im Schnitt fünf Tage nach dem Auftreten der ersten Symptome. In dieser Zeit können sie andere infizieren, und ihre Überlebenschancen sinken mit jedem Tag, an dem sie noch nicht mit Medikamenten behandelt werden.
Eine weitere große Herausforderung sei die Nachverfolgung von Kontaktpersonen. Laut Ärzte ohne Grenzen waren im Verlauf des Ebola-Ausbruchs nur 29 Prozent der neu infizierten Patienten zuvor als Kontaktpersonen von bereits registrierten Patienten bekannt. Etwa die Hälfte aller neu Infizierten waren zuvor nie als möglicherweise gefährdete Kontaktpersonen registriert gewesen und wurden nicht regelmäßig aufgesucht, um sie auf Symptome zu untersuchen. Viele Übertragungsketten blieben so unbekannt.
Nach Angaben der Hilfsorganisation hat die Ebola-Epidemie das ohnehin sehr schwache Gesundheitssystem der Region weiter destabilisiert. Gleichzeitig leidet die Bevölkerung über Ebola hinaus an zahlreichen anderen Gesundheitsproblemen.
Eine Masernepidemie hat etwa seit Januar in der DR Kongo mit mehr als 200.000 Erkrankten und 4.000 Toten mehr Todesopfer gefordert als Ebola. Es sei deshalb von allergrößter Bedeutung, das Funktionieren der Gesundheitszentren auch während der Ebola-Epidemie zu gewährleisten und auch auf andere Gesundheitsgefahren zu reagieren.
Ärzte ohne Grenzen hat dazu aufgerufen, dass sich schon jetzt alle in der Ebola-Bekämpfung tätigen Organisationen darauf vorbereiten, nach dem Ende des Ausbruchs in gewissen Gebieten die Gesundheitseinrichtungen mit Kapazitäten zur epidemiologischen Überwachung, zur Infektionskontrolle, mit Einsatzteams und Labors so auszustatten, dass sie auf ein Wiederaufflammen der Epidemie reagieren können.
Das Gesundheitssystem der Region dürfe nach dem Auslaufen der internationalen Hilfe zur Ebola-Bekämpfung nicht wieder im Stich gelassen werden. Schon jetzt müssten Schritte für die Gesundheitsversorgung in der Zeit nach Ebola unternommen werden, betonten die Helfer.
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