Ärzteschaft

Ehemalige türkische Ärztebundpräsidentin dankt deutscher Ärzteschaft für Solidarität

  • Dienstag, 17. Dezember 2024
Die ehemalige Präsidentin des Türkischen Ärztebundes (Türk Tabipleri Birligi, TTB), Sebnem Korur Fincanci, der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, und der Menschenrechtsbeauftragte der BÄK, Peter Bobbert. /BÄK
Die ehemalige Präsidentin des Türkischen Ärztebundes (Türk Tabipleri Birliği, TTB), Şebnem Korur Fincancı, der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, und der Menschenrechtsbeauftragte der BÄK, Peter Bobbert. /BÄK

Berlin – Die ehemalige Präsidentin des Türkischen Ärztebundes (Türk Tabipleri Birliği, TTB), Şebnem Korur Fincancı, hat bei einem Besuch in der Bundesärztekammer (BÄK) auf die schwierige Lage der türkischen Ärzte­schaft hingewiesen. Sie bedankte sich für die Solidarität ihrer deutschen Kolleginnen und Kollegen.

Fincancı war von 2020 bis Ende Juni dieses Jahres TTB-Präsidentin und sieht sich seit Langem als öffent­liche Kritikerin der islamisch-nationalistischen Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan juristischer Verfolgung ausgesetzt.

Im Januar vergangenen Jahres war sie zu zwei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt worden, nachdem sie in einem Interview rechtsmedizinische Untersuchungen mutmaßlicher Chemiewaffeneinsätze des türkischen Militärs gegen die Terrororganisation PKK im Irak gefordert hatte.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da das Berufungs­verfahren beim Kassationshof des Landes weiter an­hängig ist. Unterdessen hat Fincancı die Führung des Ärztebundes abgegeben. Im Juni wählten die Delegierten der 65 Ärztekammern der Türkei den Infektiologen Alpay Azap zu ihrem neuen Präsidenten.

„Alpay ist ein sehr guter Arzt mit hoher ethischer Integrität“, erklärte Fincancı heute bei einem Besuch in der BÄK in Berlin. Sie sei sicher, dass er die guten Beziehungen zur BÄK weiterführen werde.

Seit der Wahl Azaps habe der Druck der Regierung auf den TTB etwas abgenommen, erklärte Fincancı im Ge­spräch mit BÄK-Präsident Klaus Reinhardt und dem Menschenrechtsbe­auf­tragten der BÄK, Peter Bobbert. Das liege allerdings auch daran, dass bis 2028 keine Parlaments- und Präsidentschafts­wahlen mehr anliegen.

„Es hat aber auch damit zu tun, dass Alpay diplomatischer ist als ich. Ich bin Menschenrechtsaktivistin und schon mein ganzes Leben gewohnt, zu kämpfen“, sagte sie. Die 65-Jährige ist langjährige Vorsitzende der Türkischen Menschenrechtsstiftung (Türkiye İnsan Hakları Vakfı, TİHV) und widmet sich als international renommierte Rechtsmedizinerin seit Jahrzehnten dem Nachweis und der Bekämpfung von Folter. 2018 erhielt sie dafür den Hessischen Friedenspreis.

Bei Reinhardt und Bobbert bedankte sie sich für ihre Einladung zum 128. Deutschen Ärztetag in Mainz in diesem Jahr. „Das war ein wichtiges Zeichen der Solidarität für die türkische Ärzteschaft“, betonte sie. „Sie (der türkische Staat, Anm. d. Red.) können mich nicht einfach verhaften, sondern müssen nach Gründen dafür suchen. Solidarität aus dem Ausland erschwert das.“

Mit Blick auf die politische Lage in der Türkei zeigte sich Fincancı wenig optimistisch. „Die Lage ist nicht gut. Sehr viele Menschen sind weiter wegen offensichtlich konstruierter Anschuldigungen inhaftiert. Es wird schlimmer und schlimmer.“ Zuletzt habe sich die Regierung verstärkt gegen die Rechte von LGBTQ-Menschen gewandt.

Sie selbst hingegen könne sich trotz juristischer Verfolgung und drohender Haftstrafe weiterhin frei bewegen und international reisen. „Sie würden es bevorzugen, wenn ich außer Landes bleibe“, sagte sie. „Aber ich bestehe darauf, zurückzukehren.“

Auch die Gesundheitsversorgung der Türkei leide zusehends unter schlechter wirtschaftlicher Lage und Abwan­de­rung. Speziell in den Gebieten, die im Februar 2023 von einem historischen Erdbeben getroffen wurden, sei die Situation bis heute prekär.

In den betroffenen Regionen im Südosten des Landes sei die komplette Infrastruktur kollabiert, auch fast zwei Jahre nach dem Erdbeben würden viele Menschen in Containern leben. „Mancherorts waren die Krankenhäuser die ersten Gebäude, die eingestürzt sind. Eigentlich müssten das doch die sichersten Gebäude sein.“

Der TTB habe jüngst eine Untersuchung der Ernährungs­situation und Gesundheitsversorgung in den beiden stark betroffenen Städten Hatay und Adıyaman veröffentlicht, die zu dem Ergebnis gekommen sei, dass sich die Versorgungs­lage in den vergangenen zwei Jahren sogar weiter verschlechtert habe.

„Wir haben diese Untersuchung veröffentlicht, um die Regierung zum Handeln zu zwingen“, erklärte Fincancı. Allerdings erwarte sie auch hier wenig Fortschritt, solange keine Wahlen anstünden, bei denen sie etwas vorweise müsse.

lau

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