Einrichtungsbezogene Impfpflicht laut Experten rechtlich unbedenklich

Berlin – Keine verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine einrichtungsbezogene Coronaimpfpflicht äußerten Rechtsexperten heute im Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Hauptausschusses des Bundestages.
Der Hauptausschuss unter Leitung von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sowie die zur Anhörung geladenen Verbände und Experten beschäftigten sich mit dem Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie.
Dieser sieht unter anderem eine Impfpflicht gegen das Coronavirus für bestimmte Berufsgruppen vor – dies betrifft das Personal in Gesundheitsberufen und Berufe, die Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen betreuen.
Diese vulnerablen Personengruppen zu schützen, stelle ein legitimes Ziel einer solchen Impfpflicht dar, betonte Anika Klafki von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Jena. Zwar gebe es das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Eingriffe seien aber durchaus denkbar, müssten aber verhältnismäßig ausgestaltet werden. Dies sei ihrer Auffassung bei der geplanten partiellen Impfpflicht der Fall.
Das Risiko für die benannten Gruppen, aufgrund einer Ansteckung durch ungeimpftes Personal schwere gesundheitliche Schäden zu erleiden oder gar zu sterben, sei um ein Vielfaches höher als das Risiko des Personals, durch die Impfung schwere Nebenwirkungen zu erleiden, so Klafki.
Dem stimmte Robert Seegmüller, Richter am Bundesverwaltungsgericht, zu. Er bezeichnete die von der Ampelkoalition vorgesehene einrichtungsbezogene Impfpflicht als „verfassungsrechtlich unbedenklich“. Kritik übte Seegmüller am geplanten „schwerfälligen Verfahren“ bei Nichterfüllung der Impfauflagen: Die Gesundheitsämter sollten unmittelbar, ohne weitere Fristsetzung, die weitere Tätigkeit Ungeimpfter untersagen können.
Zustimmung für die partielle Impfpflicht äußerten auch der Wohlfahrtsverband Caritas sowie Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. Seitens der Krankenhäuser wird die zeitnahe Einführung einer einrichtungsbezogenen Impflicht ebenfalls ausdrücklich begrüßt. Allerdings bestehe Nachbesserungsbedarf.
„Wir brauchen die Einbeziehung auch der ambulanten Pflegedienste nach SGB V, um die Patienten zu schützen und zugleich Abwanderungen Ungeimpfter in diesen Bereich zu verhindern. Zudem bedarf es arbeitsrechtlicher Klarheit über Sanktionsmöglichkeiten bei fehlender Impfung“, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß.
Im Rahmen der Anhörung verwies er zudem auf das nach Auffassung der DKG unvollständige Konzept zur wirtschaftlichen Absicherung der Krankenhäuser in der Pandemie. Zwar sei die Wiedereinführung von Ausgleichszahlungen zu begrüßen, der vorgesehene Zeitraum allerdings „in keinem Fall ausreichend“.
Die aktuelle Coronawelle werde sich noch bis weit ins kommende Jahr ziehen, mit entsprechenden Belastungen für die Krankenhäuser. Die vorgesehene Befristung zum Jahresende bilde deshalb die reale Lage nicht ab und müsse zwingend ausgeweitet werden.
Es sei zudem nicht nachvollziehbar, dass die Ausgleichszahlungen, die die Liquidität der Krankenhäuser sichern sollen, nur für somatische Kliniken vorgesehen sind – auch die Psychiatrien und andere Fachkliniken würden deutliche Fall- und damit Erlösrückgänge, verbunden mit gestiegenen Kosten für den Infektionsschutz, verzeichnen, so Gaß.
Die Bundesärztekammer (BÄK) stellte sich heute hinter die geplante Impfnachweispflicht für Beschäftigte in Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen, Krankenhäuser sowie Reha-Einrichtungen.
„Dem Personal in den pflegerischen und medizinischen Gesundheitsberufen und den Fachkräften, die Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen betreuen, kommt eine besondere Verantwortung bezüglich des Schutzes vor der hochansteckenden Infektionskrankheit COVID-19 der ihnen anvertrauten Personen zu“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme der BÄK zu dem Gesetzentwurf.
Die geplanten gesetzlichen Bestimmungen eines Immunitätsnachweises gegen COVID-19 (§ 20a IfSG-E) werden von der Bundesärztekammer unterstützt, da in den Alten-, Pflege-, Behinderteneinrichtungen unter den Beschäftigten bisher zu geringe Impfquoten erzielt wurden.
Mit Blick auf die Patientensicherheit sieht die Bundesärztekammer die ebenfalls mit dem Gesetz geplanten Neuregelungen bei der Durchführung von Schutzimpfungen gegen das Coronavirus (§ 20b IfSG-E), das Impfen durch etwa Apotheker und Zahnärzte – kritisch. Die Durchführung von Impfungen sei eine originäre Aufgabe der Humanmedizin, so die BÄK.
Die Hinzuziehung weiterer Berufsgruppen bei der Durchführung der Schutzimpfungen werde aktuell nur an jenen Orten mit tatsächlichen personellen Engpässen bei der Durchführung von Impfungen als notwendig erachtet.
Für einen zeitlich befristeten Rahmen wäre es aus Sicht der Bundesärztekammer denkbar, dass Ärzte durch die im Gesetzentwurf genannten anderen Berufsgruppen bei der Durchführung der Impfungen im Rahmen der ärztlichen Delegation in den Impfzentren oder in den mobilen Impfteams unterstützt werden.
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