Medizin

Entwicklungs­rückstände von Kleinkindern durch COVID-19 halten sich in Grenzen

  • Dienstag, 23. April 2024
/Syda Productions, stock.adobe.com
/Syda Productions, stock.adobe.com

Baltimore – Kleinkinder und auch Säuglinge haben während der Pandemie wichtige Meilensteine ihrer Ent­wicklung erst verspätet erreicht. Dies zeigt die Auswertung eines in den USA von vielen Kinderärzten ver­wendeten Elternfragebogens in JAMA Pediatrics (2024: DOI: 10.1001/jamapediatrics.2024.0683). Die Rück­stände waren nach Einschätzung der Forscher allerdings nicht besorgniserregend.

Viele Kinderärzte in den USA benutzen den „Ages and Stages Questionnaire-3“ (ASQ-3), um sich bei den Eltern nach dem Entwicklungsstand des Kindes zu erkundigen. Das „Comprehensive Health and Decision Information System“ (CHADIS) sammelt die Ergebnisse zu Forschungszwecken und um die Ärzte bei der frühzeitigen Diagnose von Entwicklungsstörungen der Kinder zu unterstützen. Insgesamt beteiligen sich etwa 5.000 Pädiater in den USA an dem Projekt.

Sara Johnson von Johns Hopkins Medicine in Baltimore und Mitarbeiter haben die Daten ausgewertet, um die Auswirkungen der Pandemie auf die Entwicklung der Kinder im Vorschulalter zu untersuchen.

In einer unterbrochenen Zeitreihenanalyse („interrupted time series analysis“) verglichen sie den Entwick­lungs­stand der Kinder in der Zeit vor der Pandemie (März 2018 bis 29. Februar 2020), während der ersten Krankheitswelle (1. März bis 31. Mai 2020), als sich viele Orte im Lockdown befanden, und in einem intra­pandemischen Zeitraum vom 1. Juni 2020 bis zum 30. Mai 2022, als unterschiedliche Stressoren auf Eltern und Kinder einwirkten.

Ergebnis: Für den Lockdown war die Datenlage zu schwach, um den Einfluss beurteilen zu können. Im intrapandemischen Zeitraum fanden die Forscher Hinweise auf Entwicklungsverzögerungen in drei der fünf Domänen, die der ASQ-3 erfragt.

Johnson quantifiziert sie im Kompetenzbereich Kommunikation mit 2,9 %, wobei die Defizite mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,7 % bis 4,1 % signifikant waren. Im Bereich Problemlösung betrug das Defizit 1,8 % (0,6-3,0 %) und im persönlichen Bereich 1,6 % (0,4-2,8 %). Bei der Fein- oder Grobmotorik gab es dagegen keine Defizite.

Dass die Pandemie und die Einschränkungen des sozialen Lebens im Lockdown vor allem die sozialen Fähig­keiten der Kinder beeinträchtigen würde, hatten die Forscher erwartet. Das Ausmaß der Entwicklungsstörun­gen stufen sie für die meisten Kinder als gering ein.

Einige Kinder hatten jedoch einen erhöhten Betreuungsbedarf, und da die Pandemie alle Kinder betraf, könnte dies auf die gesamte USA hochgerechnet mehr als 1.500 zusätzliche Betreuungen pro Monat erfor­derlich gemacht haben – die die meisten aber nicht erhalten haben dürften.

In einer weiteren Analyse haben die Forscher die Auswirkungen auf Säuglinge untersucht. Hier hatten sie mit keinen größeren Auswirkungen gerechnet. Im Gegenteil, die Tatsache, dass viele Mütter durch den Lockdown die Chance hatten, sich stärker um ihre Kinder zu kümmern, hätte eigentlich zu einer rascheren Entwicklung führen können.

Doch diese Vorhersage hat sich nicht erfüllt. Auch in der Altersgruppe von 0 bis 12 Monaten ermittelten die Forscher Defizite im Kommunikationsbereich von 2,7 % (0,1-4,4 %) und im Problemlösungsbereich von 1,8 % (0,1-3,5 %). Johnson vermutet, dass die Mütter zwar mehr Zeit zuhause verbrachten, in dieser Zeit aber mehr mit anderen Dingen, etwa dem Home Office beschäftigt waren, so dass am Ende weniger Zeit für das Kind blieb.

Insgesamt blieben die Defizite hinter den Befürchtungen zurück, die die Forscher vor der Analyse der Daten hatten. Es habe sicherlich Veränderungen gegeben, es gebe aber keinen Grund für eine Katastrophen­stimm­ung, schreiben Johnson und Mitarbeiter. Dies sahen offenbar auch die Eltern so. Viele (Bereich 15,3 % bis 17,4 %) hatten sich Sorgen um die Entwicklung der Kinder gemacht, konkrete Verhaltensstörungen hätten allerdings nur wenige (Bereich 5,1 %-6,2 %) bemerkt.

rme

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung