Erneut Diskussion um Kodierung von Diagnosen
Berlin – Versuchen Krankenkassen nach wie vor, ihre Versicherten möglichst krank erscheinen zu lassen, um Gelder aus dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) zu erhalten? Das Mitte März verabschiedete Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz, das dies eigentlich verhindern sollte, verfehle weitgehend seine Wirkung, schreibt die Welt am Sonntag unter Berufung auf ein noch unveröffentlichtes Gutachten. Die meisten Krankenkassen bezahlen demnach Ärzte weiterhin dafür, dass sie Diagnosen für möglichst viele chronische Krankheiten erstellen. Dies beschere den Krankenkassen hohe Zahlungen aus dem RSA.
Die Kassen nutzten als Instrument bisher dafür sogenannte Betreuungsstrukturverträge. Diese werden mit dem Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) verboten, das in Kürze in Kraft tritt. Um die neuen Vorschriften zu umgehen, schwenken die Kassen den Informationen der Welt am Sonntag zufolge bereits auf eine andere Art von Rahmenverträgen um, die Verträge der hausarztzentrierten Versorgung (HzV). Ein noch unveröffentlichtes Gutachten des Berliner IGES-Instituts, das der Zeitung vorliegt, kommt demnach zu dem Ergebnis, diese Rahmenverträge bildeten etwa im selben Maße die Krankheiten ab, für die Kassen Geld bekommen, wie bisher die Betreuungsstrukturverträge.
Verwiesen wird auf einen Vertrag der Techniker Krankenkasse mit dem Hausärzteverband Bayern. Aus den Vertragsunterlagen geht demnach hervor, dass ein Hausarzt pro Diagnose einer chronischen Krankheit und pro Quartal nun 16,50 Euro extra erhält. Die Verträge zur Hausarztversorgung sind von der Gesetzesänderung nicht betroffen, die in den nächsten Tagen mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt wirksam werden dürfte.
HzV hat nichts mit Betreuungsstrukturverträgen zu tun
Der Deutsche Hausärzteverband (DHÄV) weist die Berichterstattung als „falsch“ zurück. Die Verträge zur HzV verbesserten die Qualität der Versorgung und hätten mit den Betreuungsstrukturverträgen überhaupt nichts zu tun, sagte DHÄV-Sprecher Vincent Jörres. Bei den HzV-Verträgen handele es sich um Versorgungsverträge, bei denen der Betreuungsaufwand vergütet werde und nicht die Dokumentation bestimmter Diagnosen. „So wird beispielsweise in der P3-Pauschale der zusätzliche Aufwand bei der Versorgung von Patienten mit chronischen Erkrankungen vergütet“, erklärte Jörres.
Er wies zudem darauf hin, dass die im Artikel der Welt aufgestellte Behauptung, die Regelungen zur Verhinderung von Manipulationen bei der Kodierung von Diagnosen im Rahmen des HHVG würden nicht für HzV gelten und Krankenkassen könnten diese daher nutzen, um das Gesetz zu umgehen, falsch sei. Dafür würde ein Blick ins Gesetz genügen, das dies eindeutig klarstelle. Er betonte, dass es richtig sei, dass Krankenkassen kein Geld für reine Kodierungen zahlen dürften.
Schon das für die Aufsicht über die Krankenkassen federführende Bundesversicherungsamt (BVA) in Bonn hatte der Zeitung auf Anfrage mitgeteilt, aus seiner Sicht böten die HzV-Verträge keinen Anlass für aufsichtsrechtliche Maßnahmen. Im Gegensatz zu den Betreuungsstrukturverträgen müsse der Arzt bei den HzV-Verträgen tatsächlich den Patienten mindestens einmal sehen, hieß es.
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