Politik

Erneut Diskussion um Kodierung von Diagnosen

  • Montag, 10. April 2017

Berlin – Versuchen Krankenkassen nach wie vor, ihre Versicherten möglichst krank er­scheinen zu lassen, um Gelder aus dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) zu erhalten? Das Mitte März verabschiedete Heil- und Hilfsmittelversor­gungs­gesetz, das dies eigentlich verhindern sollte, verfehle weitgehend seine Wirkung, schreibt die Welt am Sonntag unter Berufung auf ein noch unveröffent­lichtes Gutachten. Die meisten Krankenkassen bezahlen demnach Ärzte weiterhin dafür, dass sie Diagno­sen für möglichst viele chronische Krankheiten erstellen. Dies beschere den Kranken­kassen hohe Zahlungen aus dem RSA.

Die Kassen nutzten als Instrument bisher dafür sogenannte Betreuungsstrukturverträge. Die­se werden mit dem Heil- und Hilfsmittel­­ver­sor­gungsgesetz (HHVG) verboten, das in Kürze in Kraft tritt. Um die neuen Vorschrif­ten zu umgehen, schwenken die Kassen den Informationen der Welt am Sonntag zufolge be­reits auf eine andere Art von Rahmenver­trägen um, die Ver­träge der hausarzt­zen­­trierten Versorgung (HzV). Ein noch unveröff­ent­lichtes Gutach­ten des Berliner IGES-Instituts, das der Zeitung vorliegt, kommt demnach zu dem Ergebnis, die­se Rahmenver­träge bildeten etwa im selben Maße die Krankheiten ab, für die Kassen Geld bekommen, wie bisher die Betreuungsstrukturverträge.

Verwiesen wird auf einen Vertrag der Techniker Krankenkasse mit dem Hausärztever­band Bayern. Aus den Vertragsunterlagen geht demnach hervor, dass ein Hausarzt pro Diagnose einer chronischen Krankheit und pro Quartal nun 16,50 Euro extra erhält. Die Verträge zur Hausarztversorgung sind von der Gesetzesänderung nicht betroffen, die in den nächsten Tagen mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt wirksam werden dürfte.

HzV hat nichts mit Betreuungsstrukturverträgen zu tun

Der Deutsche Hausärzteverband (DHÄV) weist die Berichterstattung als „falsch“ zurück. Die Verträge zur HzV verbesserten die Qualität der Versorgung und hätten mit den Be­treu­ungs­struk­tur­verträgen überhaupt nichts zu tun, sagte DHÄV-Sprecher Vincent Jörr­es. Bei den HzV-Verträgen handele es sich um Versorgungsverträge, bei denen der Be­treuungsaufwand vergütet werde und nicht die Dokumentation bestimmter Diagno­sen. „So wird beispielsweise in der P3-Pauschale der zusätzliche Aufwand bei der Versor­gung von Patienten mit chronischen Erkrankungen vergütet“, erklärte Jörres.

Er wies zudem darauf hin, dass die im Artikel der Welt aufgestellte Behauptung, die Re­gelungen zur Verhinderung von Mani­pu­la­tionen bei der Kodierung von Diagnosen im Rahmen des HHVG würden nicht für HzV gelten und Krankenkassen könnten diese da­her nutzen, um das Gesetz zu umgehen, falsch sei. Dafür würde ein Blick ins Gesetz ge­nügen, das dies eindeutig klarstelle. Er betonte, dass es richtig sei, dass Kranken­kassen kein Geld für reine Kodierungen zahlen dürften.

Schon das für die Aufsicht über die Krankenkassen federführende Bundesversiche­rungs­amt (BVA) in Bonn hatte der Zeitung auf Anfrage mitgeteilt, aus seiner Sicht böten die HzV-Verträge kei­nen Anlass für aufsichtsrechtliche Maßnahmen. Im Gegensatz zu den Betreu­ungs­strukturverträgen müsse der Arzt bei den HzV-Verträgen tatsächlich den Patienten mindestens einmal sehen, hieß es.

afp/EB

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