Politik

Ethikrat bemängelt „unzulässige Verengung“ der Debatte über Impfpflicht

  • Mittwoch, 24. April 2019

Berlin – Der Deutsche Ethikrat hat angesichts der aktuellen Debatte um eine Impfpflicht für Masern eine „unzulässige Verengung“ der Diskussion auf Kinder, die „unzureichende Berücksichtigung“ der Datenlage sowie den „unscharfen Begriff der Impfpflicht“ kritisiert. Das Gremium plädierte heute für einen umfassenden Ansatz.

Der Ethikrat monierte, dass fast die Hälfte aller an Masern Erkrankten in Deutschland Erwachsene sind – mit steigender Tendenz. Somit müssten Maßnahmen mit dem Ziel, die Masernimpfquote zu erhöhen, als Adressaten sowohl Kinder als auch Erwachsene einbe­ziehen. „Ein wirksamer Gemeinschaftsschutz setzt eine bevölkerungsweite Quote für beide Ma­sern­­impfungen von 95 Prozent voraus. Diese kann nur erreicht werden, wenn auch bei Erwachsenen die Impfquoten erhöht werden“, heißt es in einer Mitteilung.

Personen, von denen wegen ihrer Tätigkeit oder ihrer berufsbedingten Kontakte ein er­höhtes Infektionsrisiko für andere ausgehe wie zum Beispiel Gesundheitsberufe oder pädagogisches Personal stünden dabei „in einer besonderen Verantwortung“.

Der Ethikrat betonte zugleich, dass die Erstimpfungsquote bei Kindern zum Zeitpunkt der Einschulung bundesweit bei 97,1 Prozent liegt. Dies zeige eine große Akzeptanz der Ma­sernimpfung. „Probleme entstehen aber vor allem durch die noch unzureichende Quote bei den Zweitimpfungen von 92,9 Prozent sowie aufgrund der beträchtlichen regionalen Unterschiede“, heißt es weiter.

Als problematisch erachtet der Ethikrat auch, dass unklar ist, wie eine Pflicht ausgestaltet werden sollte und vor allem, wie sie durchgesetzt werden kann. „Denkbare Sanktionen wären je nach Adressaten etwa Bußgelder, Ausschluss aus Kindertagesstätten oder Schu­len, Einschränkungen der ärztlichen Berufsfreiheit oder sogar körperliche Zwangsein­griffe“, erläuterte der Ethikrat. Erst die Präzisierung der Ausgestaltung einer Impfpflicht und ihrer Durchsetzung ermögliche aber eine „angemessene ethische und rechtliche Abwägung der betroffenen Schutzgüter“.

Bevor Gesetze geändert würden, müssten daher offene Fragen geklärt werden. „Entgegen der bisherigen Engführung auf die Frage nach einer gesetzlichen Impfpflicht erfordert eine erfolgreiche Impfpolitik einen umfassenden Ansatz“, bemängelt der Ethikrat. Dieser müsse das ganze Spektrum von Akteuren, Adressaten, Instrumenten und Regelungs­ebe­nen auch in ihren Wechselbeziehungen in den Blick nehmen.

„Erst auf dieser Grundlage kann geprüft werden, wie das Ziel eines hinreichenden Impf­schut­zes mit Maßnahmen von möglichst geringer Eingriffstiefe erreicht werden kann“, schreibt der Ethikrat, der ankündigte, noch vor der Sommerpause eine Stellungnahme zum Thema vorzulegen.

Die Bundesregierung bereitet derzeit Vorschläge für eine Impfpflicht vor, die Bundesge­sundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Mai vorlegen will. Er hatte sich grundsätzlich für verpflichtende Masernimpfungen für Kinder in Kitas und Schulen ausgesprochen.

Die Fachwelt ist bei der Frage einer Impfpflicht gespalten. Während etwa Experten des Robert-Koch-Instituts (RKI) und Allgemeinmediziner eine Pflicht kritisch sehen, haben sich der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, und die Kinder- und Jugendärzte dafür ausgesprochen.

may/dpa

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