EuGH-Urteil: Onlineplattformen dürfen Verkauf von Medikamenten vermitteln

Luxemburg – Ein Anbieter einer Internetplattform darf den Verkauf und Erwerb von Arzneimitteln von eigenständigen Apotheken und Apothekenkunden vermitteln, ohne dass der Anbieter selbst die Eigenschaft eines Apothekers haben muss. Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) heute entschieden (Rechtssache C-606/21).
Wenn der Anbieter keine eigene Apothekereigenschaft besitzt, darf er aber selbst keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU), in dem er niedergelassen ist, verkaufen.
Hintergrund des Urteils war ein Rechtsstreit zwischen dem französischen Apothekerverband Union des Groupements de pharmaciens d’officine (UDGPO) und der Gesellschaft Doctipharma. Doctipharma hatte bis 2016 in Frankreich eine Webseite betrieben, über die es möglich gewesen ist, rezeptfrei erhältliche Arzneimittel über Webseiten von Apotheken zu kaufen.
Konkret stellte Doctipharma Arzneimittel mittels eines vorgespeicherten Katalogs zur Verfügung, der Kunde wählte die Medikamente aus und seine Bestellung wurde anschließend an die Apotheken weitergeleitet, deren Websites Doctipharma hostete, erläuterte eine Mitteilung des Gerichtshofs das Geschäftsprinzip. Die Zahlung erfolgte über ein für alle Apotheken anwendbares einheitliches Zahlungssystem von einem dafür vorgesehenen Konto.
Der Verband UDGPO stellte die Rechtmäßigkeit dieses Prinzips infrage und warf Doctipharma vor, dass dieser am elektronischen Arzneimittelhandel teilnehmen würde und damit gegen französisches Recht verstoße, dass den Verkauf von Arzneimitteln durch Personen, die nicht die Eigenschaft eines Apothekers hätten, verböten. In Frankreich dürfen verschreibungspflichtige Medikamente nicht im Onlineversandhandel verkauft werden.
Das Verfahren läuft am französischen Berufungsgericht in Paris (Cour d’appel de Paris). Dieses hatte aber den EuGH nach seiner Auslegung zu diesem Fall gefragt. Damit soll insbesondere die Auslegung des EU-Rechts geprüft werden. Der EU-Gerichtshof selbst kann allerdings nicht über nationale Rechtsstreite entscheiden. Die nationalen Gerichte müssten „im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs“ entscheiden.
Der Gerichtshof erläuterte weiter, dass allein die EU-Mitgliedstaaten dafür zuständig seien, Personen zu bestimmen, die zum Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Onlinehandel befugt seien. Allerdings müssten die Staaten demnach auch sicherstellen, dass die Bevölkerung die Möglichkeit erhalte, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel über eine Onlineplattform kaufen zu können.
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) sieht in dem Urteil sowohl Licht als auch Schatten. „Wir freuen uns, dass der EuGH die Apothekenpflicht gestärkt hat, sodass auch weiterhin klar ist, dass in Europa grundsätzlich nur Apotheken rezeptfreie Medikamente abgeben dürfen“, erklärt ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold.
Andererseits lasse das Urteil befürchten, dass Wettbewerbsverzerrungen eintreten können, wenn zum Beispiel Onlineplattformen einzelne Apotheken aus reinem Gewinninteresse bevorzugten und die Auswahlmöglichkeiten für Patienten dadurch beschränkten. „Aus unserer Sicht ist das Recht der einzelnen Mitgliedstaaten zur Regulierung des Versandhandels mit rezeptpflichtigen und -freien Medikamenten ein hohes Gut“, bewertet Arnold weiter.
„In Deutschland ist der Versandhandel mit Medikamenten im Gegensatz zu Frankreich und etlichen anderen EU-Mitgliedsstaaten bereits seit 20 Jahren auf gesetzlicher Grundlage erlaubt.“ Hierzulande dürften Versandapotheken ihre Medikamente auch über Onlineplattformen anbieten, wenn die vom deutschen Gesetzgeber vorgegebenen Rahmenbedingungen wie Datenschutz und Erkennbarkeit eingehalten werden, so Arnold.
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