Experte fordert Antibiotika-Leitlinien für Ärzte

Berlin – Angesichts einer immer noch hohen Quote unnötig verschriebener Antibiotika hat der Gesundheitsökonom Gerd Glaeske von der Universität Bremen eine Handreichung für Ärzte zum Umgang mit dem Medikament gefordert. „Wir haben keine einzige Leitlinie, die den Ärzten genau darstellt, wie Antibiotika eingenommen werden sollen“, sagte Glaeske in Berlin. Für einzelne Krankheitsbilder hingegen gebe es Leitlinien.

Hintergrund der Forderung sind neue Zahlen der Techniker Krankenkasse (TK). Die zeigen, dass Ärzte zwar seltener als 2008, aber noch immer zu oft unnötig Antibiotika verschreiben. Den TK-Daten zufolge ist die Quote der Antibiotikaverordnungen zwar zurückgegangen, lag im vergangenen Jahr bei erkältungsbedingt krangeschriebenen Beschäftigten aber noch immer bei 27 Prozent. Im Vergleichsjahr 2008 waren es noch 38 Prozent.
„Die überwiegende Zahl der Erkältungsinfekte ist durch Viren hervorgerufen – und gegen eine Virusinfektion hilft das Medikament nicht“, mahnte Tim Steimle von der TK. Die Entwicklung sei nicht zufriedenstellend, sagte auch Gesundheitsökonom Glaeske. Der falsche Einsatz von Antibiotika könne multiresistente Keime hervorrufen.
Ärzte verordnen verantwortungsvoll
„Die niedergelassenen Ärzte verordnen Antibiotika in verantwortungsvoller Weise“, sagte hingegen Roland Stahl, Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Häufig sähen Ärzte sich jedoch mit dem Wunsch der Patienten konfrontiert, unbedingt ein Antibiotikum zu erhalten.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) unterstrich heute die Rolle der Mediziner. Er erklärte, Ärzten komme beim sachgerechten Einsatz von Antibiotika eine Schlüsselrolle zu. Der Minister betonte zugleich, dass neu entwickelte Antibiotika möglichst sparsam eingesetzt werden sollten. Das wiederum mache die Forschung für Pharmaunternehmen nicht besonders attraktiv.
„Notwendig sind deshalb Anreize, die den wirtschaftlichen Nutzen zumindest teilweise vom Umsatz entkoppeln“, sagte Gröhe. Im Auftrag der 20 Industrie- und Schwellenländer erarbeite die OECD dazu gerade eine Studie. Auch Glaeske forderte, in die Forschung müsse mehr Geld investiert werden. „Von der Pharmazie ist das ein Bereich, der dramatisch vernachlässigt worden ist.“

Der Geschäftsführer des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, Hardy Müller, fordert vor allem mehr finanzielle Unterstützung der Initiativen in Krankenhäusern und Arztpraxen. „Entscheidend ist immer noch, was beim Patienten ankommt“, sagte Müller.
Alle Seiten betonen den Stellenwert der Patientenaufklärung. „Wir brauchen in der Bevölkerung ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass Antibiotika nicht bei jedem Husten oder einer tropfenden Nase helfen“, sagte Gröhe.
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