Ärzteschaft

Experten warnen vor zu häufigem Antibiotika-Einsatz bei Kleinkindern

  • Donnerstag, 1. Juni 2017
/Rafael Ben-Ari, stock.adobe.com
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Dresden – Ärzte warnen vor einem vorschnellen Einsatz von Antibiotika bei Säuglingen und Kleinkindern. Ein Drittel von ihnen bekomme mindestens eine Antibiotika­behand­lung pro Jahr, sagte Reinhard Berner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Dresdner Universitätsklinikum. Es sei klar, dass man bei Infektions­krank­heiten in dieser Altersgruppe nicht zu spät behandeln dürfe, sehr viele Kinder erhielten aber unnötig Antibiotika. Sorge bereite zudem die Tatsache, dass Kindern zu häufig Reserve-Antibiotika verordnet würden, die schweren Infektionen vorbehalten sein sollten. In den meisten Fällen sei Altbewährtes wie Penicillin ausreichend, betonte er.

Berner zufolge hat sich die Lage in den vergangenen Jahren gebessert. „Kinderärzte verordnen heute deutlich zurückhaltender Antibiotika als noch vor zehn Jahren“, erklärte er. Dagegen habe sie sich in der Erwachsenenmedizin kaum verändert. „Man hat ein bisschen dazugelernt und verstanden, dass der Großteil der Infektionen nicht durch Bakterien verursacht wird und damit auch Antibiotika nicht wirken können.“

Die Häufigkeit der Verordnung weiche regional stark voneinander ab, berichtete der Experte. Offensichtlich sei die Antibiotikatherapie nicht nur rational begründet, sondern sehr stark von Gewohnheiten und Verhaltensmustern geprägt. „Im Osten wurden traditionell weniger Antibiotika verordnet als im Westen. Aber auch im Saar­land geschieht das häufiger als in Baden-Württemberg, oder in Nordrhein-West­falen mehr als in Niedersachsen.“ Noch auffälliger seien Unterschiede von Landkreis zu Landkreis.

„Wir müssen uns noch kritischer die Frage stellen, bei welchen Indikationen wir mit Antibiotika behandeln und in welchen Situationen man noch abwarten kann“, sagte Berner. Dazu brauche man Leitlinien und klare Empfehlungen, an die sich im Regelfall zu halten sei. Deutschland stehe international zwar nicht schlecht da, aber in Ländern wie der Schweiz, Finnland oder den Niederlanden würden nur halb so viele Antibiotika verschrieben wie hierzulande.

Genaue Zahlen, wie viel Prozent der Antibiotikabehandlungen unnötig sind, gibt es laut Berner nicht. Schätzungen reichten bis zu 80 Prozent, das sei aber eher „eine gefühlte Realität“. Den größten Spielraum, auf Antibiotika zu verzichten, hätten Ärzte bei Atemwegserkrankungen wie Bronchitis, aber auch bei Angina, Mandelentzündung und Mittelohrentzündung. „Da kann man in den meisten Fällen bei Kindern noch abwarten oder nur dann verschreiben, wenn relativ klar zu benennende Indikatoren zusammenkommen.“

Erst Alternativen testen, dann Antibiotika nutzen

Als Alternative empfiehlt Berner meistens – etwa bei Ohrenentzündungen – zunächst eine symptomlindernde Behandlung mit schmerzstillenden und entzündungshemmen­den Medikamenten, zumindest in den ersten 24 bis 48 Stunden. „Wenn dann die Symp­tome immer noch nicht besser geworden sind, ist immer noch Zeit, Antibiotika zu geben.“ Auch klassische Hausmittel wie Salbeitee oder Kamillentee kämen infrage. Obgleich deren Wirkung nicht belegt sei, richte man zumindest keinen Schaden an.

dpa

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