Politik

Experten kritisieren Flickenteppich von Regelungen für die Flüchtlings­versorgung

  • Montag, 2. Mai 2016

Düsseldorf – Die Regelungen für die Versorgung von Flüchtlingen in Deutschland unterscheiden sich oft von Kommune zu Kommune. Häufig wissen kranke Flüchtlinge nicht, welche Ärzte für sie zuständig sind. Ärzte wiederum sind verunsichert, welche Erkrankungen sie behandeln dürfen. Das berichtet der Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften in Würzburg.

„Derzeit existiert viel anekdotische Erfahrung aber wenig systematische Information – der Föderalismus ist dabei ein großes Problem“, erläuterte Anne Bunte, Leiterin des Gesundheitsamts der Stadt Köln. Mehr als 12.000 Flüchtlinge brachte Köln bis Februar 2016 in Wohnheime, Notunterkünfte und Hotels unter. „Die gute Nachricht: Rund 70 Prozent sind gesund. Wenn nicht, leiden sie öfter an Magen-Darm-Infektionen durch Noroviren oder Campylobacter, die heute auch in Deutschland nicht selten Auslöser dieser Erkrankung sind“, so Bunte. Zwar hätten die Fallzahlen an Tuberkulose, Hepatitis B und C mit dem Flüchtlingsstrom zugenommen. Die Kölner Experten sind sich jedoch sicher, die Verbreitung der Krankheit durch Basishygiene und Impfungen vermeiden zu können.

Als „Stresstest für unser Gesundheitswesen“ bezeichnet Amand Führer von der Universität Halle die weitere Versorgung der Migranten. Um ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen zu dürfen, benötigen Flüchtlinge einen Behandlungsschein vom Sozialamt. „Die Scheine bedeuten nicht nur bürokratischen Aufwand – je länger die Patienten auf eine Behandlung warten, desto weiter schreitet die Erkrankung fort“, kritisierte er.

Hintergrund ist das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Es gibt vor, dass ärztliche Leistungen für Flüchtlinge nur bei akuter Erkrankung und Schmerzen abrechenbar sind. Welche gesundheitlichen Probleme das umfasse, unterscheide sich aber regional. „Bei chronisch Kranken, wie etwa Menschen mit Diabetes, ist selbst Ärzten und Sozialarbeitern oft unklar, ob und in welchem Maße Anspruch auf ärztliche Leistungen besteht“, kritisiert Führer, der die medizinische Versorgung von Flüchtlingen in Halle untersucht hat.

„Fakt ist jedoch, dass das deutsche Gesundheitswesen in der Praxis weit mehr leistet als es von Rechts wegen muss“, sagte der Rechtsexperte Winfried Kluth aus Halle. Er wies in Würzburg auch darauf hin, dass anstelle einer umfangreichen Liste mit erlaubten Leistungen ein Negativkatalog einfacher zu handhaben wäre.

Ärzte haben schon wiederholt darauf hingewiesen, dass die Behandlungs­ein­schränkungen des Asylbewerberleistungsgesetzes im Einzelfall problematisch sein können: „Das Festhalten an den Buchstaben des Gesetzes ist für jeden Arzt unethisch“, sagte der Vorstandsvorsitzende der KV Sachsen, Klaus Heckemann schon im September 2015 gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.

hil

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