Budgetbegrenzung sorgt für weniger Arzttermine am Quartalsende

München – Ärzte erbringen zum Quartalsende seltener Leistungen, die über Pauschalen und Globalbudgets vergütet werden. Sie nehmen dann weniger gesetzlich versicherte Patienten für einen Routinetermin an. Sobald das neue Quartal beginnt, steigen die Terminzahlen wieder an. Das zeigt eine Untersuchung des Hamburg Center for Health Economics (HCHE) auf Grundlage von Daten der Techniker Krankenkasse (TK) aus den Jahren 2013 und 2014.
Grund ist das begrenzte Budget. „Das ambulante Vergütungssystem führt dazu, dass weniger Behandlungen am Quartalsende stattfinden und es einen sprunghaften Anstieg am Quartalsanfang gibt“, erklärte Mathias Kifmann vom HCHE. Alle Leistungen der niedergelassenen Ärzte, die durch Globalbudgets vergütet werden – und dies sind je nach Fachrichtung zwischen 50 und 90 Prozent – werden laut HCHE nur solange voll erstattet, bis die Regelleistungsvolumina oder andere mengenbegrenzende Regelungen auf Arztebene pro Quartal ausgeschöpft sind.
Erstattung fällt geringer aus
Behandeln Ärzte darüber hinaus, erhalten sie nur noch eine geringere Erstattung. Dies führt der Untersuchung zufolge dazu, dass Leistungen aus dem Globalbudget vielfach in den letzten vier Wochen eines Quartals reduziert werden, und zwar über alle Fachrichtungen hinweg.
Der deutlichste Effekt zeigte sich laut Studie bei bei Hautärzten, Augenärzten und Gynäkologen. Hautärzte und Augenärzte reduzierten ihre Termine der Studie zufolge alle drei Monate um rund 14 Prozent, Orthopäden und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte um knapp zehn Prozent. Auch Hausärzte schränken alle drei Monate ihre Praxistätigkeit ein. Mehr als 86 Prozent der Untersuchungen, die sie anbieten dürfen, unterliegen einem begrenzten Budget. Am Anfang jedes neuen Quartals stiegen laut Untersuchung die Termine in den Hausarztpraxen wieder um durchschnittlich mehr als sieben Prozentpunkte an.
Keine Auswirkungen auf Notaufnahmen
Da nach drei Monaten die Termine immer aufs Neue knapp würden, müssten viele Patienten am Quartalsende einen ärztlichen Bereitschaftsdienst konsultieren. Der Anstieg ist laut Studie drei bis vier Wochen vor Quartalsende mit 19 Prozentpunkten am größten, was sich „möglicherweise durch die Verlagerung von Terminen ins nächste Quartal erklären lässt“, hieß es. In den letzten zwei Wochen vor Quartalsende flacht sich der Anstieg ab auf knapp elf Prozentpunkte. „Wenn Patienten sehr lange auf einen Termin warten müssen, suchen sie offenbar nach Alternativen“, sagte Kifmann.
Allerdings: Für die Notaufnahmen in Kliniken findet sich kein solcher Effekt. Auch bei Behandlungen, die keiner Limitierung unterliegen, wie zum Beispiel ambulante Operationen, Impfungen oder der Betreuung von Schwangeren und Krebskranken gibt es keine Einschränkungen. Hier gibt es laut Untersuchung über das Jahr kaum Veränderungen. Darüber hinaus zeigt sich, dass größere Arztpraxen oder Praxisgemeinschaften – insbesondere wenn mehrere Fachrichtungen vertreten sind – weniger stark auf die Auswirkungen der Globalbudgets reagieren. „In der Gemeinschaft können Ausfälle oder Schwankungen bei den Leistungserstattungen eher kompensiert werden“, so Kifmann.
„Die Studie spiegelt wider, dass im Schnitt über zehn Prozent aller erbrachten Leistungen der niedergelassen Ärzte von den gesetzlichen Krankenkassen nicht vergütet werden“, sagte Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Er forderte ein Ende der Budgetierung. Gassen betonte zugleich, dass es sich bei den Terminverschiebungen um Routineuntersuchungen handele, die sich auch zu einem späteren Zeitpunkt vornehmen ließen. Als „Manko“ bezeichnete Gassen, dass die Studie nicht repräsentativ sei, wie die Verfasser auch selbst betont hätten.
Für privat versicherte Patienten gibt es am Quartalsende keinen Engpass. Für sie gibt es kein Limit. Weil Fachärzte offensichtlich eher motiviert seien, gut bezahlte Untersuchungen anzubieten, dürften Privatversicherte unabhängig von Quartalen Termine bekommen, sagte Kifmann. Dass eine Bürgerversicherung, wie sie die SPD fordert, an einer solchen Behandlung nach Kassenlage etwas ändern würde, glaubt der Gesundheitsökonom nicht. Auch wenn alle Bürger gesetzlich versichert wären, hätte die Bezahlung der Ärzte noch Grenzen.
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