Ärzteschaft

Nein zur Bürgerversicherung, Ja zum Ende der Budgetierung

  • Freitag, 8. Dezember 2017
Andreas Gassen, KBV-Vorstandsvorsitzender /Axentis, Lopata
Andreas Gassen, KBV-Vorstandsvorsitzender /Axentis, Lopata

Berlin – Gegen die Einführung einer Bürgerversicherung hat sich heute in Berlin der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen ausgesprochen. Das Gesundheitssystem sei bei den Sondierungen zu einer Regierungskoalition von Union, FDP und Grünen kein zentrales Thema gewesen, sagte Gassen bei der Vertreterversammlung der Kassen­ärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

Aber jetzt, da über eine Neuauflage der Großen Koalition von Union und SPD diskutiert werde, hätten einige die Frage der Bürgerversicherung plötzlich zur entscheidenden Frage stilisiert und als Bedingung formuliert. „Das wundert schon ein wenig, gibt doch die Bürgerversicherung nicht eine einzige Antwort auf die für das Gesundheitswesen wirklich wichtigen Fragen“, kritisierte der KBV-Chef.

Problem für Ärzte

Die von manchen beschworene Zwei-Klassen-Medizin bestehe eigentlich nur bei den Ärzten. Ein angefordertes Honorar von einem Euro bei einem privat krankenversicher­ten Patienten sei ein Euro auf dem Konto des Arztes. Ein Honorar in Höhe von einem Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung bedeute dagegen 80 bis 90 Cent auf dem Konto, abhängig von Region und Versorgungsbereich.

„Aus diesem Grund kann ich der Politik nur raten: Finger weg von Experimenten wie der Bürgerversicherung oder einer einheitlichen Gebührenordnung“, warnte Gassen. Das Problem seien nicht verschiedene Versicherungsarten, sondern der Dauerzwangs­rabatt der Ärzte an die Krankenkassen.

Mehr Leistung nur bei mehr Honorar

In diesem Zusammenhang erneuerte Gassen die Forderung der KBV, dass ein Mehr an ambulanten Leistungen ein Mehr an Honorar nach sich ziehen müsse. „Weg mit der Budgetierung“, sagte Gassen unter dem Beifall der rund 60 Mitglieder der Vertreter­versammlung und rechnete ein Beispiel vor.

Ausgehend vom Leistungsbedarf des Jahres 2016 würde dem KBV-Chef zufolge die Ausbudgetierung der fachärztlichen Grundleistungen rund 350 Millionen Euro kosten. Das seien Peanuts angesichts des 19-Milliarden-Euro-Polsters, das die Kassen inzwischen angesammelt hätten. Gespräche der vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass die Politik für diese Position durchaus zugänglich sei.

Kollegen aus der Klinik Alternativen bieten

Als zentrales Thema der nächsten Zeit stehe die Ambulantisierung der Medizin ganz oben auf der Tagesordnung der KBV, erklärte Gassen. Die Diskussionen um überfüllte Notfallambulanzen, die regional ungleiche Verteilung der Ärzte sowie überlange Wartezeiten der Patienten auf Arzttermine bezeichnete er im internationalen Vergleich als Pseudothemen.

Gassen zeigte sich überzeugt, dass sich die Finanznöte der Krankenhäuser, die es durchaus gebe, nicht durch eine Öffnung für die ambulante Versorgung lösen ließen. Vielmehr müsse der ambulante Sektor fit gemacht werden, um freiwerdende Bettenkapazitäten des völlig überdimensionierten Krankenhaussektors aufzufangen und in ambulante und teilstationäre Angebote umzuwandeln.

Keine Einbahnstraße

„Die Kollegen in den Kliniken wollen wir bei dieser Entwicklung unbedingt mitneh­men“, bekräftigte Gassen. „Es gibt keinen Grund, sich um den Job zu sorgen. Arbeit gibt es genug.“ Außerdem müsse deutlich gemacht werden, dass eine belegärztliche Tätigkeit keine Einbahnstraße aus der Praxis in die Klinik sei. So könnten sich Klinik­ärzte beispielsweise mit hälftigem Versorgungssitz an der ambulanten und beleg­ärztlichen Versorgung beteiligen.

Viele Klinikärzte klagten darüber, dass sie therapeutische Entscheidungen zunehmend nach ökonomischen Gesichtspunkten treffen müssten. Hier werde ein enormes Frust­potenzial deutlich. Das sei ein Argument mehr, diesen Kollegen eine Alternative zu bieten.

KBV hat politischen Einfluss zurückgewonnen

Auf das vergangene Jahr blickte Gassen positiv zurück. Die KBV habe sich nicht zuletzt durch die Befriedung innerärztlicher Konflikte und die Aufarbeitung des Immobilien­skandals im Rahmen des Umzugs der Körperschaft von Köln nach Berlin im Jahr 2004 wieder als ernstzunehmender Gesprächspartner der Politik etabliert. „Insofern macht mir das Jahr 2017 Hoffnung, dass wir diese konstruktive Phase auch 2018 fortsetzen und die Dinge gemeinsam und in unserem Sinne bewegen können“, sagte Gassen.

HK

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