Fachgesellschaft empfiehlt Sprechstundenmodelle für schnellere Diagnose rheumatischer Erkrankungen

Berlin – Rheumaerkrankungen müssen möglichst früh erkannt und gezielt behandelt werden, weil das die Lebensqualität der Patienten entscheidend verbessert. Das hat die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) angemahnt. Neue Sprechstundenmodelle könnten dafür wegweisend sein, berichtet die Fachgesellschaft im Vorfeld des Welt-Rheuma-Tages am 12. Oktober.
In Deutschland leiden laut DGRh rund 1,5 Millionen Menschen unter entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Die häufigste und bekannteste ist die rheumatoide Arthritis, von der in Deutschland rund 640.000 Menschen betroffen sind.
Zwischen ersten Anzeichen einer rheumatoiden Arthritis bis zur korrekten Diagnose und zum Therapiebeginn vergehen in Deutschland laut Fachgesellschaft im Schnitt neun Monate, bei anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen vergehe sogar noch weitaus mehr Zeit.
„Das Zeitfenster, in dem wir die Krankheit effektiv zurückdrängen könnten, schließt sich nach wenigen Wochen. Je später eine Behandlung einsetzt, desto schwerwiegender sind die Folgen für den Patienten und das Gesundheitssystem im Allgemeinen“, sagte Hanns-Martin Lorenz, Vizepräsident der DGRh aus Heidelberg.
„Weil die Patienten nicht früh genug zum Rheumatologen gelangen, sind sie kurzfristig nicht so gut versorgt, wie es mit heute verfügbaren Medikamenten möglich wäre und benötigen auch langfristig mehr Therapie“, kritisierte auch Hendrik Schulze-Koops, Präsident der DGRh.
Abhilfe könnten spezielle Sprechstundenmodelle schaffen. Die Sektion Rheumatologie des Universitätsklinikums Heidelberg betreibt seit Februar 2016 eine Screeningsprechstunde. Seit Februar 2018 untersuchen die Heidelberger Forscher diese im Rahmen der „Screened“-Studie und vergleichen sie mit weiteren Modellen von Frühsprechstunden deutschlandweit. Erste Daten zeigen laut DGRh, dass die Krankheit in diesem Fall deutlich effektiver zu behandeln ist.
Einige an der Studie beteiligten rheumatologischen Zentren konnten nachweisen, dass die Krankheit durch eine frühe Therapieeinleitung nach einer Screening- oder Frühsprechstunde wesentlich häufiger gänzlich zurückweicht. „Diese Remission tritt umso häufiger ein, je kürzer Patienten erkrankt sind, was uns geradezu verpflichtet, die Therapie so früh wie möglich einzuleiten“, meint die Heidelberger Rheumatologin Karolina Benesova.
Von 206 im Rahmen einer Studie erfassten Patienten mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung erreichten 120, also 58,3 Prozent, eine komplette Remission, bei der alle Symptome der Erkrankung verschwanden. Bei Patienten mit neu diagnostizierter rheumatoider Arthritis waren es sogar 70,8 Prozent. „Zahlen, die bei länger bestehender Erkrankung bei weitem nicht zu erreichen sind“, hieß es aus der DGRh.
Laut der Fachgesellschaft existieren verschiedene Modelle der Screening- oder Frühsprechstunden. „Unabhängig vom Konzept sind sie vor allem dann erfolgreich, wenn sie sich regionalen Strukturbesonderheiten anpassen“, erläuterte Benesova. Das sei in den heterogenen deutschen Versorgungsstrukturen unerlässlich. Um zukünftig messen zu können, welche Modelle sich am besten für welche Versorgungssituation eignen, entwickelt die DGRh derzeit Qualitätsindikatoren.
„Jetzt sind Politik und Gesundheitswesen gefordert diese Modelle zu fördern, bundesweit zu etablieren und mit den notwendigen personellen und infrastrukturellen Ressourcen zu unterstützen, um die Versorgungssituation im Interesse aller entscheidend zu verbessern“, forderte Lorenz.
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