Fachgesellschaft: Gesetz zur Suizidassistenz dringend nötig

Berlin – Fachleute haben erneut für eine gesetzliche Regelung zur Suizidbeihilfe plädiert. Dass diese weiterhin fehle, sei nicht hinzunehmen, teilte die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) gestern in Berlin mit. „Wir brauchen ein Gesetz zur Suizidassistenz und wir brauchen es schnell“, sagte DGPPN-Präsident Andreas Meyer-Lindenberg,
„Insbesondere, weil es zunehmend Hinweise darauf gibt, dass die aktuell ungeregelte Praxis vulnerable Gruppen gefährdet, die zu einer freiverantwortlichen Suizidentscheidung nicht in der Lage sind“, begründete die Fachgesellschaft. Sie legte zudem ein aktualisiertes Eckpunktepapier zum Thema vor, das in einer früheren Fassung im Jahr 2020 erschienen war.
Nach eigenen Angaben rückt die DGPPN darin von dem Standpunkt ab, ein gerichtliches Verfahren zur Feststellung der Freiverantwortlichkeit zu fordern, „weil ein solches Verfahren offensichtlich weithin für praktisch nicht umsetzbar gehalten wird“.
Zum Ablauf schlägt die Fachgesellschaft nun vor, dass Menschen beim Wunsch eines assistierten Suizids zunächst eine Beratung bei einer staatlich autorisierten Stelle oder einem Facharzt in Anspruch nehmen sollten. Behandlungs-, Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten sollen dabei im Fokus stehen.
Mit der Bestätigung einer absolvierten Beratung soll anschließend ein tödliches Medikament bei einer staatlichen Stelle beantragt werden können. „Eine ärztliche Verschreibung eines Medikaments ist explizit nicht vorgesehen. Dies deshalb, weil die ärztliche Verschreibung zu Tötungszwecken nicht statthaft erscheint, und weil es sich beim assistierten Suizid nicht um eine ärztliche Aufgabe handelt“, heißt es in dem Papier.
Im Anschluss soll dem Eckpunktepapier zufolge die Freiverantwortlichkeit von einem dazu ermächtigten Arzt begutachtet werden. Dieser solle in der Regel Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sein und dürfe nicht an der vorhergehenden Beratung beteiligt gewesen sein und auch nicht danach die Suizidassistenz durchführen.
Die DGPPN moniert, dass aktuell die Freiverantwortwortlichkeit der Entscheidung nicht fachgerecht geprüft werde. Mit diesem Schritt sollen demnach Menschen, die etwa eine psychische Erkrankung haben und dadurch in der Freiverantwortlichkeit eingeschränkt sind, vor dem Schritt geschützt werden.
Wird bei der Begutachtung keine solche Einschränkung festgestellt, soll das Mittel dem Papier zufolge an einen qualifizierten Helfer ausgehändigt werden, der außerdem den Vorgang dokumentieren, beim Suizid assistieren und Daten an eine staatliche Stelle übermitteln soll. Diese soll auch eine Statistik zu Beratungen, Begutachtungen und tatsächlich durchgeführten assistierten Suiziden erheben.
Offizielle Zahlen zur Häufigkeit des assistierten Suizids gibt es der DGPPN zufolge bislang nicht. Vermutlich leisteten solche Fälle jedoch einen Beitrag zum deutlichen Anstieg der Suizide in Deutschland im Jahr 2022 auf mehr als 10.000, hieß es – auch mit Verweis auf Angaben von Sterbehilfeorganisationen und eine lokale Studie aus München (Rechtsmedizin; DOI: 10.1007/s00194-023-00668-3).
Das vorschlagene Prozedere soll auch jene Menschen vor Vorwürfen illegitimen Handelns schützen, die Suizidwillige unterstützen wollen. Zudem werde damit Druck auf beteiligte Ärzte vermieden und verhindert, „dass ärztliche Zurückhaltung faktisch die Umsetzung freiverantwortlicher Suizide erschwert oder verunmöglicht“.
Nach Angaben der DGPPN wurden kürzlich zwei Ärzte zu Gefängnisstrafen verurteilt, die psychisch kranken Menschen beim Suizid assistiert hatten.
Wichtig sei insbesondere die Beteiligung mehrerer Personen, betonte der Vorsitzende der DGPPN-Kommission Ethik und Recht, Thomas Pollmächer. Er erklärte außerdem: „Kein Arzt darf verpflichtet werden, einen Menschen in den Tod zu führen.“
Wenn Sie Suizidgedanken haben oder bei einer anderen Person wahrnehmen: Kostenfreie Hilfe bieten in Deutschland der Notruf 112, die Telefonseelsorge 0800/1110111 und das Info-Telefon Depression 0800/3344 533. Weitere Infos und Adressen unter www.deutsche-depressionshilfe.de.
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