Familien in Deutschland geht es schlechter als vor vier Jahren

Berlin – Die Familien in Deutschland schätzen 2022 ihre Belastungen höher und ihren Gesundheitszustand niedriger ein als vor vier Jahren – besonders Alleinerziehende und Eltern mit einem niedrigen sozioökonomischen Status. Das ist ein zentrales Ergebnis der AOK-Familienstudie, für die von August bis Oktober dieses Jahres 8.500 Mütter und Väter befragt wurden.
Erhoben wurden die körperliche und psychische Gesundheit von Eltern und Kindern, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten sowie Belastungsfaktoren und deren Auswirkungen auf das Familienleben. Die Krankenkasse spricht daher von einer „Trendumkehr zum Negativen“.
„Zu all dem, was Eltern bei den beruflichen Aufgaben und der Organisation des Familienalltags sowieso schon zu bewältigen haben, hat die Coronapandemie Familien besonders herausgefordert. Hinzu kommen hohe Verunsicherungen durch die Klimakrise, den Ukrainekrieg sowie finanzielle Belastungen“, sagte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.
Besonders hart treffe es Eltern und Kinder, die es aufgrund ihrer sozialen Situation sowieso schon schwerer hätten. Prekäre Beschäftigung und ein geringes Haushaltseinkommen ließen kaum Spielraum, um Kindern gleiche Entwicklungschancen zu ermöglichen.
„Die Ergebnisse machen deutlich, dass wir uns besonders um diese Familien kümmern müssen. Dafür braucht es ein abgestimmtes Zusammenarbeiten zwischen verschiedenen politischen Ressorts vom Bund bis in die Kommunen“, forderte Reimann.
Laut der Befragung hat sich der Gesundheitszustand der Eltern im Vergleich zur Vorgängerbefragung im Jahr 2018 um zwölf Prozentpunkte verschlechtert. Nur noch 64 Prozent der befragten Eltern schätzen ihren Gesundheitszustand selbst als „gut“ und „sehr gut“ ein.
Im Vergleich zur AOK-Familienstudie 2018 sind zudem die Belastungsfaktoren der Eltern gestiegen. Der größte Ausschlag ist bei den finanziellen Belastungen zu verzeichnen mit einem Anstieg um 13 Prozentpunkte auf 40 Prozent. Die psychischen Belastungen sind um sieben Prozentpunkte auf 34 Prozent gestiegen.
Um herauszufinden, wie es dem Nachwuchs geht, wurden in der AOK-Familienstudie den Eltern auch Fragen zur Gesundheit der Kinder und ihrer Lebensqualität gestellt. Fast alle Eltern (94 Prozent) beschreiben den allgemeinen und körperlichen Gesundheitszustand ihres Kindes als „sehr gut“ oder „gut“. Das sind die gleichen Ergebnisse wie 2018.
Veränderungen zeigen sich jedoch bei der psychosomatischen Beschwerden: Bei der aktuellen Befragung litten die Kinder häufiger als bei der letzten Umfrage 2018 an Einschlafproblemen, Benommenheit, Kopf- und Bauchschmerzen. Die Ergebnisse zeigen, dass die gesundheitsbezogene Lebensqualität von 28 Prozent der Kinder eingeschränkt ist, insbesondere bei Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status.
Zudem hätten wichtige Schutzfaktoren wie gemeinsame Rituale abgenommen, wodurch die Widerstandskräfte der Familien geschwächt würden. „Ein gutes Familienklima kann Belastungen auffangen. Die Kinder profitieren gesundheitlich von einer guten Beziehung der Eltern zu ihnen, von der Sicherheit der Eltern und Ritualen wie dem täglichen gemeinsamen Abendessen“, sagt Ulrike Ravens-Sieberer, Forschungsdirektorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. In der aktuellen Befragung hätten solche Ressourcen abgenommen, so die Expertin.
Die AOK untersucht seit 2007 mit ihrer Familienstudie den Gesundheitszustand von Eltern mit Kindern im Alter zwischen vier und 14 Jahren in Deutschland.
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