Arzneimittelgesetz: Preise neuer Arzneimittel bleiben öffentlich zugänglich

Berlin – Im Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) war ursprünglich die Geheimhaltung der Preise neuer Arzneimittel sowie die Einführung einer Umsatzschwelle für teure neue Medikamente vorgesehen. Kurz vor der Beratung des AMVSG morgen im Gesundheitsausschuss sowie der vorgesehenen Verabschiedung des Gesetzes am kommenden Donnerstag im Bundestag wurden diese beiden Regelungen nun jedoch wieder aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Das geht aus Änderungsanträgen vor, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegen.
Eigentlich schien das AMVSG bereits im vergangenen Oktober konsentiert, als das Bundeskabinett den Gesetzentwurf verabschiedet hatte. Da sich die SPD in den folgenden Monaten jedoch gegen eine Geheimhaltung der Preise und die geplante Umsatzschwelle aussprach, verzögerte sich die eigentlich für Mitte Februar vorgesehene Verabschiedung des Gesetzes. Mit diesen Forderungen hat sich die SPD nun durchgesetzt.
Die von der Pharmaindustrie lange geforderte Geheimhaltung der Preise neu auf den Markt gekommener Arzneimittel wird doch nicht kommen, ebenso wenig wie die Umsatzschwelle. Diese sollte für neue Arzneimittel gelten, die im ersten Jahr nach Markteinführung mehr als 250 Millionen Euro Umsatz machen. Geplant war, dass die Krankenkassen ab dem Erreichen dieser Schwelle nicht mehr den vom Hersteller selbst gewählten Preis zahlen sollten, sondern den niedrigeren, von Krankenkassen und Hersteller ausgehandelten Preis.
Zwei zentrale Regelungen aus Pharmadialog gestrichen
Der SPD ging das nicht weit genug. Sie forderte, dass der ausgehandelte Betrag rückwirkend ab der Markteinführung gelten müsse. Mit dieser Forderung setzte sich die Partei jedoch nicht durch. Denn nun wird im ersten Jahr nach dem Markteintritt wie bisher der Preis gelten, den der Hersteller frei gewählt hat.
Durch den ausgehandelten Kompromiss streichen Union und SPD zwei der zentralen Regelungen des sogenannten Pharmadialogs, bei dem sich im Laufe der aktuellen Legislaturperiode unter anderem Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) mit Vertretern der Pharmaindustrie über die Arzneimittelpolitik und den Pharmastandort Deutschland ausgetauscht haben.
Kritik und Lob an Neuregelungen
Die Änderungen am Gesetzentwurf wurden von Pharmaindustrie und Krankenkassen unterschiedlich aufgenommen. Das geplante Arzneimittelgesetz gehe vielen Problemen bewusst aus dem Weg, kritisierte die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), Birgit Fischer. Damit werde es das erste Opfer des Wahlkampfes. „Die Industrie hat die Kraft zur Innovationsfähigkeit der Koalition höher eingeschätzt“, meinte Fischer. „So sind die guten Ergebnisse des Pharmadialogs, die Politik, Gewerkschaft und Industrie erzielt haben, im AMVSG nicht angekommen.“ Dennoch stehe die Industrie dazu, den Dialog mit der Politik fortzuführen.
Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, kritisierte, dass das Gesetz weiter keine Lösung für das Problem der Mondpreise parat halte. Als „sinnvoll und notwendig“ bezeichnete er es hingegen, dass die Preise neuer Arzneimittel weiterhin öffentlich zugänglich sein würden. Er verwies dabei auf ein organisatorisches Problem, das sich bei der Geheimhaltung der Preise gestellt hätte.
Denn viele Akteure innerhalb des Gesundheitssystems müssten mit den realen, also den rabattierten Preisen der Arzneimittel arbeiten. Wie dies bei einem geheimen Preis hätte möglich sein sollen, war auch im Kabinettsentwurf unklar geblieben. „Die Frage, wie sich geheime Preise umsetzen lassen, wenn zahlreiche Stellen im Gesundheitswesen sie kennen müssen, ist praktisch nicht vernünftig zu lösen“, meinte Litsch.
Praxissoftware: BMG darf detailliertere Vorgaben machen
Darüber hinaus haben sich die Koalitionspartner auf verschiedene weitere Änderungen verständigt, die insbesondere das Verfahren gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) betreffen. Dabei haben sie auch eine Regelung konkretisiert, die die Ärzte künftig in ihrer täglichen Arbeit betreffen wird. Im AMVSG ist geplant, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) künftig seine Beschlüsse für die Nutzenbewertung neuer Arzneimittel so aufbereiten soll, dass sie in der Praxissoftware abgebildet werden können. Dadurch erhofft sich die Regierung, dass künftig weniger neue Arzneimittel verordnet werden, denen der G-BA keinen Zusatznutzen zuerkannt hat. Welche Informationen allerdings genau in der Praxissoftware abgebildet werden sollen, soll das Bundesgesundheitsministerium erst in einer Rechtsverordnung regeln.
In dieser Rechtsverordnung soll das BMG nun auch „Vorgaben zur Abbildung der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Regelungen zur Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen Therapiemöglichkeiten machen“, heißt es in einem Änderungsantrag zum AMVSG. „Es kann auch Vorgaben zu semantischen und technischen Voraussetzungen zur Interoperabilität machen.“
Leitlinien können in Hinweise zum Zusatznutzen integriert werden
Der Selbstverwaltung sei es in der Vergangenheit häufig nicht oder nur unzureichend gelungen, die gesetzlichen Vorgaben sämtlich und in angemessener Zeit in die Vorgaben für die Zertifizierung der Praxissoftwareprogramme zu übernehmen, heißt es weiter in der Gesetzesbegründung. Insofern erhalte das BMG nun die Möglichkeit, künftig konkrete Vorgaben zu machen, um sicherzustellen, dass die bei der Verordnung von Arzneimitteln geltenden Vorschriften in den Praxisverwaltungsprogrammen abgebildet werden.
Zudem könne das BMG Vorgaben für eine Datenschnittstelle machen, die dafür genutzt werden können, „weitere, fachgruppenspezifische Informationen zur Arzneimitteltherapie in die Softwareprogramme zu integrieren“. Dies könnten zum Beispiel Informationen aus Leitlinien sein.
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