Politik

Krankenhaus­kommission: Reformvorschläge zu Kinder- und Jugendmedizin und Psychiatrie vorgelegt

  • Freitag, 29. September 2023
/AnnaStills, stock.adobe.com
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Berlin – Kinder und Jugendliche mit schweren, seltenen oder lange andauernden Erkrankungen sollen künftig besser ambulant an Krankenhäusern versorgt werden können. Dafür schlägt die Regierungskommission die Einführung von Institutsambulanzen im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin in ihrer sechsten Stellungnahme vor.

In dieser sprechen sie weitere Empfehlungen für eine kurz-, mittel- und langfristige Reform der konservativen und operativen Kinder- und Jugendmedizin aus. Diese sowie eine Stellungnahme zur Reform und Weiterentwicklung der Psychiatrie, Psychosomatik und Kinder- und Jugendpsychiatrie hat die Regierungskommission heute Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) übergeben.

Institutsambulanzen ermöglichten eine hoch spezialisierte Versorgung an den Kliniken, erklärte der Pädiater und Kommissionsmitglied Jörg Dötsch heute. Diese Ambulanzen hätten sich in der kinderpsychiatrischen Versorgung bereits bewährt und würden Versorgungslücken schließen, die in manchen abgelegenen Gebieten existierten, so Dötsch.

Vertragsärztinnen und -ärzte sollen demnach künftig Kinder, die wegen Art, Schwere, Seltenheit oder Dauer ihrer Erkrankung oder wegen zu großer Entfernung zu niedergelassenen Fachärzten an diese Ambulanzen überweisen können. Vorteil sei zudem, dass keine Doppelstrukturen geschaffen werden, sondern auf die bereits vorhandene Expertise der Fachärztinnen und Fachärzte an den Kliniken zurückgegriffen werden könne, erläuterte Dötsch.

Grund für diesen Vorschlag sei insbesondere die Versorgungsrealität in der Pädiatrie, schreibt die Kommission. Rund 90 Prozent der niedergelassenen Kinderärztinnen und -ärzte seien in der hausärztlichen Versorgung tätig. Entsprechend fehle es an spezialisierten Pädiatern im ambulanten Bereich.

Minister Lauterbach zeigte sich insbesondere von diesem Vorschlag überzeugt und kündigte an, die entsprechende Umsetzung seinen Kolleginnen und Kollegen aus der Ampelregierung vorzuschlagen. Er betonte, künftig die Durchlässigkeit zwischen dem stationären und ambulanten Bereich in der Kinder- und Jugendmedizin so flexibel wie möglich gestalten zu wollen, um die Versorgung zu verbessern.

Zudem braucht es der Kommission zufolge verbindliche Mindestqualitätsvorgaben für die Kinder- und Jugendmedizin, die sich an den Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften orientieren sollen. Damit spricht sich die Regierungskommission erneut für die Einführung von Leistungsgruppen mit entsprechend definierten Kriterien aus, die für die Erbringung und Finanzierung künftig zugrunde gelegt werden soll.

Sonderfonds für Förderung der Pädiatrie benötigt

Darüber hinaus fordert die Kommission einen Aufschlag von 20 Prozent auf das geplante Vorhaltebudget für die Pädiatrie und Kinderchirurgie. Einem ersten Arbeitsentwurf zur Krankenhausreform zufolge soll künftig für alle Bereiche ein Vorhaltebudget von 60 Prozent eingeführt werden. Die 20 Prozent sollte es der Kommission zufolge in diesen Bereichen zusätzlich geben. Für die Finanzierung ist ein Sonderfonds zu bilden, heißt es in der Stellungnahme. „Aus welchen Mitteln dieser Sonderfonds gespeist wird, muss rechtzeitig politisch entschieden werden.“

Bereits mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz Ende 2022 hatte der Gesetzgeber zusätzliches Geld für die Pädiatrie und die Geburtshilfe eingesetzt, um die Versorgung der prekär finanzierten Bereiche sicherzustellen.

Zudem schlägt die Kommission kurzfristige Maßnahmen zur Sicherstellung der Kinder- und Jugendmedizin vor, die bereits 2023 und 2024 greifen sollten. Darunter zählen die Aussetzung der primären Fehlbelegungsprüfung für die derzeit zehn pädiatrischen teilstationären diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) sowie eine Aussetzung der Fehlbelegungsprüfung, zu der es komme, wenn die obere Grenzverweildauer überschritten werde. Das incentiviere eine schnellere Behandlung und verstärke teilstationäre Behandlungen, erklärte Dötsch. Zudem sollten Kliniken Kinder nach einem stationären Aufenthalt weiter versorgen, wenn diese nicht direkt im Anschluss einen Platz bei ambulanten Pflegediensten fänden. Dies müssten die Kliniken nicht bezahlen, sagte Dötsch.

Ausbau der psychiatrischen Versorgung angedacht

Außerdem übergab der Psychiater und Leiter der Regierungskommission, Tom Bschor, eine weitere Stellungnahme zur Reform der stationären Psychiatrie, Psychosomatik und Kinder- und Jugendpsychiatrie. Diese achte Stellungnahme der Kommission regt etwa einen Ausbau der psychiatrischen Versorgung an, vor allem in unterversorgten Regionen. Weiter wird eine engere Verzahnung zwischen somatischer und psychiatrischer Versorgung gerade für den Bereich der Kinder- und Jugendmedizin empfohlen sowie ein besserer Übergang von der kinder- und jugend- in die erwachsenenpsychiatrische Versorgung.

Für eine bessere Versorgung brauche es zudem eine Ausweitung der bereits möglichen Institutsambulanzen im psychiatrischen und psychosomatischen Bereich nach Paragraf 118 Sozialgesetzbuch V. Die Kommission bemängelt, dass es erst in fünf Bundesländern gelungen sei, entsprechende Ambulanzen an Kliniken zu installieren. Hier sollte der Gesetzgeber kurzfristige Maßnahmen ergreifen, um dieses Angebot auszuweiten.

Außerdem spricht sich die Regierungskommission nach wie vor für die Einführung von festen Versorgungsstufen aus, zu denen Krankenhäuser zugeordnet werden sollten. Abteilungen der Psych-Fächer sollten demnach an allen Krankenhäusern aller Versorgungslevel geführt werden, weil die Komorbidität von somatischen und psychischen Erkrankungen zumindest im Erwachsenenalter sehr hoch sei, heißt es in der Stellungnahme. Level 1i-Krankenhäuser könnten keine entsprechenden Abteilungen oder Leistungsgruppen betreiben, aber sollten mit anderen Kliniken entsprechend kooperieren oder telemedizinische Vernetzungen anstreben, so der Vorschlag. Die Leveleinteilung ist aus politischer Sicht allerdings nicht mehr vorgesehen, vor allem die Bundesländer hatten sich dagegen gewehrt.

Darüber hinaus sollten der Kommission zufolge künftig alle Krankenhäuser mit einer Notfallstufe nach dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) auch psychiatrische Notfälle fachlich kompetent behandeln können und entsprechende Strukturen aufbauen.

Zwar soll auch die Psychiatrie künftig per Leistungsgruppe definiert werden, allerdings rät die Kommission davon ab, Leistungsgruppen auf bestimmte Krankheitsgruppen zuzuschneiden. Im Notfall müsste bereits der Rettungswagen wissen, ob die Diagnose Schizophrenie oder Depression laute und in entsprechende Kliniken fahren, begründete Bschor diese Empfehlung. Stattdessen könne es nur eine Leistungsgruppe Erwachsenenpsychiatrie und eine für Kinder- und Jugendpsychiatrie geben, so Bschor. Er warnte zudem vor einer starren Unterscheidung einer jeweils stationären und teilstationären Leistungsgruppe, wie es die Systematik aus Nordrhein-Westfalen vorsieht.

Entsprechend plädiert Bschor dafür, die voll- und teilstationäre Versorgung zu flexibilisieren und nicht voneinander zu trennen. Damit sollen Betten künftig auch tagesklinisch genutzt und getrennte Abrechnungswege überwunden werden.

Außerdem schlägt die Kommission vor, die Personalausstattung in der Psychiatrie an das Niveau für den Nachweis der Pflegepersonaluntergrenzen in der somatischen Medizin anzupassen.

Eine Reform der Finanzierung der psychiatrischen Versorgung empfiehlt die Kommission hingegen nicht. Hier habe es 2018 bereits eine Reform hin zu Tagesvergütungssätzen (PEPP) gegeben. Diese müsse zunächst unter normalen Bedingungen evaluiert werden, erklärte Bschor mit dem Verweis auf die Coronapandemie.

cmk

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