Ambulantisierung, Teamarbeit und Fusionen als Schlüssel für bessere stationäre Versorgung

Berlin – Die Krankenhausreform muss zügig kommen. Um die Herausforderungen der stationären Versorgung zu bewältigen, braucht es künftig zudem eine stärkere Ambulantisierung, die Einbeziehung von Bevölkerungsstrukturen und eine neue Aufgabenverteilung zwischen den Gesundheitsberufen. Das diskutierten gestern Teilnehmer einer Diskussionsrunde der Veranstaltung „Zukunftsvision Gesundheitspolitik“, organisiert von der AG Zukunft des Gesundheitswesens.
Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Edgar Franke (SPD), kündigte gestern zudem an, dass der Gesetzentwurf zur Krankenhausreform im Spätherbst ins Bundeskabinett gehen soll. Anfang nächsten Jahres, eventuell auch schon Ende dieses Jahres, soll der Gesetzentwurf dann ins Gesetzgebungsverfahren im Bundestag ankommen.
Damit wird das bislang von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigte Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2024 nicht möglich werden. Anzeichen für die Verzögerung gab es allerdings schon länger. Ein erster Arbeitsentwurf aus dem BMG war Ende vergangener Woche bekannt geworden.
Auf die Forderung der Krankenhäuser bezüglich kurzfristiger finanzieller Hilfen vom Bund etwa in Form eines Vorschaltgesetzes, wies Franke auf bereits erfolgte Hilfszahlungen des Bundes und die mangelnde Investitionskostenfinanzierung der Bundesländer hin. Diese müssten in Zukunft stärker ihren Verpflichtungen nachkommen.
Aufgrund dessen seien die Bundesländer jetzt in der Verantwortung, finanzielle Mittel in der Übergangsphase zur Verfügung zu stellen, bis die Krankenhausreform wirke, betonte Franke. Denn die Länder wüssten besser, welche Krankenhäuser für die Versorgung absolut notwendig seien und entsprechende Hilfe benötigten.
Der Intensivmediziner und Pneumologe Christian Karagiannidis, der auch Mitglied der Regierungskommission Krankenhaus ist, pochte darauf, dass die Gesundheitsversorgung nicht noch teurer werden dürfe. Krankenversicherungsbeiträge müssten bezahlbar bleiben, das sei wichtig für den gesellschaftlichen Frieden, so Karagiannidis. Statt mehr Geld brauche es dringend die geplante Strukturreform, so der Mediziner.
Krankenhäuser müssten deutlich schneller kleiner und ambulanter werden, um mit den Herausforderungen der Zukunft mitzuhalten. „Wir haben null Erfahrung, wie wir schrumpfen können“, kritisierte er. Das Problem der älter werdenden Bevölkerung und schrumpfenden Anzahl an Fachkräften müsse mit Transformationen hin zu effizienten genutzten Kapazitäten gelöst werden.
„Der langsamste darf nicht die Reformgeschwindigkeit bestimmen“, sagte auch Jürgen Malzahn vom AOK-Bundesverband, insbesondere im Hinblick auf die Bundesländer, die den ersten Arbeitsentwurf zur Reform nun sechs Wochen prüfen wollen. Wenn das aktuelle Zeitfenster nicht genutzt werde, werde es in der nächsten Legislaturperiode schwierig, die Reform koordiniert zu bekommen, so auch Karagiannidis.
Lösung könnte in Tagesbehandlungen und Fusionen liegen
Als Teil der Lösung sieht Karagiannidis deutlich mehr Angebote pflegerischer Tagesbehandlungen und standortübergreifende Fusionen kleiner Kliniken. Das sei schwierig, insbesondere bei trägerübergreifenden Fusionen, räumte er ein. Trotzdem müsse dieser Schritt erfolgen, vor allem, um Versorgungslücken im ländlichen Raum zu schließen.
Zudem brauche es mehr mittelgroße Krankenhäuser. „Das kann auch durch einen Transformationsfonds politisch incentiviert werden“, so Karagiannidis. Er bemängelte außerdem, das Gesundheitswesen werde oftmals schlechter geredet als es sei. „Die Welt geht nicht unter, wenn drei Krankenhäuser schließen“, sagte er.
Er plädiert zudem auf einen Kompromiss hinsichtlich der geplanten Definitionen der Leistungsgruppen. Der Vorschlag aus Nordrhein-Westfalen, der bereits konkrete Kriterien für 60 Leistungsgruppen enthält, bringe am Ende keine Verbesserung der Versorgung, ist Karagiannidis überzeugt. Diese Kriterien erfüllten jedes Krankenhaus schon heute.
Ein weiterer Lösungsvorschlag könnte die Berechnung der Vorhaltekostenfinanzierung über den Bevölkerungsbezug sein, schlug Malzahn vor. Dieser könne als Anker für die Finanzierung gelten und sei rationaler als die Finanzierung lediglich an den Fällen festzumachen. Das befürwortet auch Bernhard Gibis von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Er forderte zudem eine bessere Bezahlung und Weiterentwicklung der ambulanten Versorgung. Viele ältere Patientinnen und Patienten wollen gar nicht stationär behandelt werden und hierfür brauche es bessere ambulante Versorgungsstrukturen, so Gibis. Er sprach sich zudem gegen ein Vorschaltgesetz zur Finanzierung von fehlgeleiteten Strukturen aus.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, erneuerte seine Kritik am Reformprozess. Er wünsche sich einen geordneten Reformprozess und sorge sich vor weiteren Krankenhausinsolvenzen. Auch er fordert neue Angebote zur Schnittstelle zwischen ambulanten und stationären Bereich.
Zudem müssten hinsichtlich des Fachkräftemangels künftig andere Gesundheitsberufe manche Aufgaben übernehmen, die bislang nur Ärztinnen und Ärzten vorbehalten sind, so Gaß. Karagiannidis setzte sich diesbezüglich für die Stärkung der Pflege ein. Für junge Menschen werde dieser Beruf attraktiver, wenn die Pflege mehr Aufgaben erhalten und eine bessere Aus- und Weiterbildung biete, so der Mediziner.
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