Fetales Alkoholsyndrom: CDC rät sexuell aktiven Frauen zum Alkoholverzicht

Atlanta – Eine Studie, der zufolge 3,3 Millionen Frauen durch ihren Alkoholkonsum im Fall einer möglichen Schwangerschaft die Gesundheit ihres Kindes gefährden würden, veranlasst die Centers for Disease Control and Prävention (CDC) zu einer umstrittenen Forderung: Alle Frauen im gebärfähigen Alter, die sexuell aktiv sind und keine Empfängnisverhütung betreiben, sollten komplett auf den Genuss von Alkohol verzichten.
Die Risiken des Alkoholkonsums in der Schwangerschaft werden häufig unterschätzt. So vertraten im letzten Jahr in einer INSA-Umfrage ein Viertel aller Erwachsenen die Ansicht, dass es unproblematisch ist, wenn Schwangere „gelegentlich ein Gläschen Bier oder Sekt“ trinken. Entsprechend häufig sind die Folgen. Eine Untersuchung von Erstklässlern in Pediatrics (2014; 134: 855-866) ergab, dass in den USA auf 1.000 Kinder wahrscheinlich 6 bis 9 mit einem fetalen Alkoholsyndrom (FAS) kommen.
Diese Kinder wiesen mindestens zwei der drei diagnostischen Veränderungen im Gesicht auf (kurze Lidspalte, verstrichenes Philtrum, schmale Oberlippe) und sie waren zu klein für ihr Alter und der Kopfumfang lag unter der 10. Perzentile. Ein partielles fetales Alkoholsyndrom (PAFS), das nur die Gesichtsveränderung plus ein weiteres Kriterium erfordert, lag bei 11 bis 17 von 1.000 Kindern vor. In die weiteste Kategorie einer Fetalen Alkoholspektrum-Störung (FASD) fielen sogar 3,6 Prozent aller Erstklässler.
Die Ursache sehen die Centers for Disease Control and Prävention im leichtfertigen Umgang mit Alkohol von Frauen, die schwanger werden könnten. Dies ist per Definition immer dann der Fall, wenn eine Frau sich im gebärfähigen Alter befindet, also etwa in der Altersgruppe von 15 bis 44 Jahren, nicht sterilisiert ist, sexuell aktiv ist und dabei auf eine sichere Kontrazeption verzichtet. Dies ist laut einer Auswertung der National Survey of Family Growth (NSFG) keineswegs selten der Fall.
In der repräsentativen Stichprobe waren 5.601 Frauen nach ihren Sexualkontakten und nach ihrem Alkoholkonsum befragt worden. Von den Frauen, die derzeit fruchtbar, aber nicht schwanger waren, gaben 7,3 Prozent an, dass sie in den letzten vier Wochen ungeschützten vaginalen Sex hatten und dass sie in den letzten 30 Tagen Alkohol getrunken hatten. Die Untersuchung wurde jetzt in Morbidity and Mortality Weekly Report (MMWR 2016; 65: 91-97) veröffentlicht.
Hochgerechnet auf die US-Bevölkerung ergibt dies 3,3 Millionen Frauen, die sich aus Sicht von Anne Schuchat, der stellvertretenden Leiterin der CDC, nicht verantwortungsbewusst verhalten, auch wenn sie gerade keinen Kinderwunsch haben. Etwa die Hälfte aller Schwangerschaften in den USA seien ungewollt, argumentiert Schuchat und viele Frauen würden die Schwangerschaft in den ersten Wochen nicht bemerken (während sie weiter Alkohol konsumieren). Die einzige Möglichkeit, sein Kind sicher vor einer Schädigung zu schützen, sei deshalb ein Verzicht auf Alkohol (oder eine sexuelle Enthaltsamkeit beziehungsweise eine sichere Schwangerschaftsverhütung).
Dieser Vorschlag wurde in den USA erwartungsgemäß nicht von allen Seiten begrüßt. Das American Beverage Institute findet den Vorschlag der New York Times zufolge „unglaublich puritanisch“. Das American College of Obstetricians and Gynecologists äußerte dagegen Zustimmung und die American Academy of Pediatrics hatte bereits im letzten Oktober verlautbart, dass Alkohol zu keinem Zeitpunkt der Schwangerschaft als sicher für das Kind anzusehen sei.
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