Politik

Finanzlücke bei gesetzlicher Krankenversicherung offenbar größer als erwartet

  • Dienstag, 14. Juni 2022
/picture alliance, ZB, Z6944 Sascha Steinach
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Berlin – Die Finanzlücke der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist offenbar größer als bisher ange­nom­men. Nach Berechnungen des Instituts für Gesundheitsökonomik (IfG) sollen im kommenden Jahr bis zu 25 Milliarden Euro fehlen, wie die Bild schreibt. Im bisher geschätzten Fehlbetrag von rund 17 Milliarden Euro waren demnach die Folgen des Ukraine-Kriegs noch nicht berücksichtigt.

„Die Inflation lässt in Praxen und Kliniken die Ausgaben steigen, während die Aussichten für den Arbeitsmarkt im Herbst eher schlecht sind“, sagte IfG-Chef Günther Neubauer der Bild. Würden die Finanzierungsdefizite allein durch steigende Beiträge ausgeglichen, resultierten daraus Beitragserhöhungen von bis zu 537,02 Euro für Spitzenverdiener und 455,16 Euro für Durchschnittsverdiener netto pro Jahr.

Der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, warnte angesichts der Zahlen in der Bild vor einem „Beitragstsunami". Er forderte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf, rasch ein Gesetz zur Stabilisierung der GKV-Finanzen vorzulegen. Wenn der Gesetzentwurf nicht vor der Sommerpause vorge­legt werde, reiche die Zeit nicht mehr aus bis zur Haushaltsaufstellung der Krankenkassen im Herbst.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Union im Bundestag, Tino Sorge (CDU), sagte, das Defizit der Kranken­kassen hätte schon bei den Haushaltsberatungen im Mai Thema sein müssen. „Stattdessen verschleppt die Ampel ein 17 Milliarden Euro schweres Problem“, sagte er. „Auf ein Stabilisierungsgesetz warten wir seit Monaten.“ Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Lauterbach „belauern sich in dieser Frage seit Wochen“, kritisierte Sorge. "

Er bezeichnete die Blockade als riskant. „Krankenkassen und Versicherte fordern zurecht Planungssicherheit“, sagte er. Es werde Beitragserhöhungen und auch in kommenden Jahren einen Zuschuss aus Steuermitteln geben müssen. Dieser müsse zumindest in konjunkturschwachen Phasen deutlich erhöht werden.

Der GKV-Spitzenverband rechnet bislang mit einer Finanzierungslücke von 17 Milliarden Euro. „In den letzten Jahren gab es eine Kombination von ausgabenintensiver Gesundheitspolitik und kurzatmiger Finanzierungs­politik“, sagte Verbandssprecher Florian Lanz. „Bis zur endgültigen Bewertung durch den Schätzerkreis im Oktober liegen noch viele Unbekannte auf dem Weg.“

Lanz verwies dabei auf mögliche Honorarforderungen, die Entwicklung des Arbeitsmarktes oder auch die ra­sant steigenden Ausgaben für Medikamente. „Diese Entwicklungen werden wir in den kommenden Monaten laufend auswerten und dann in die Beratungen des Schätzerkreises mit einbringen.“

Der DGB rief den Bund dazu auf, sich stärker an der GKV-Finanzierung zu beteiligen. „Defizite gehören nicht auf den Rücken der Versicherten und Beitragszahler“, erklärte Vorstandsmitglied Anja Piel. „Krankenkassen müssen solide und krisenfest finanziert sein.“ Die GKV müsse zu einem Solidarsystem ausgebaut werden, in das mehr Menschen einzahlen.

afp

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