Fluglärm schädigt Herz und Kreislauf

Mainz/Berlin – Auf die besonderen Risiken von Fluglärm haben heute die Universitätsmedizin Mainz und der bundesweite Arbeitskreis „Ärzte gegen Fluglärm“ hingewiesen. Danach führt Fluglärm zu einem vermehrten Auftreten von Gefäßerkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall. „Fluglärm beziehungsweise Lärm allgemein muss als ein neuer Herzkreislaufrisikofaktor anerkannt werden“, forderte Thomas Münzel, Direktor der Zweiten Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mainz.
Dieser Risikofaktor sei aber vom einzelnen Betroffenen kaum zu verändern. Deswegen sei die Politik gefragt, die Gesundheit der Bürger durch eine entsprechende Gesetzgebung zu schützen. „Wir brauchen endlich Gesetze, die die Anwohner und nicht die Betreiber von Flughäfen schützen“, so Münzel. Er betonte, es könne zum Beispiel nicht angehen, dass ein profitorientiertes Unternehmen allein entscheiden dürfe, ob ein Terminal am Frankfurter Flughafen gebaut werde oder nicht und damit auch entscheide, ob in dieser Region Herzkreislauferkrankungen deutlich zunähmen.
Münzels Einschätzung beruht auf einer neuen Studie seiner Arbeitsgruppe, die in der Zeitschrift Clinical Research in Cardiology erschienen ist (doi 10.1007/s00392-014-0751-x). „Die Ergebnisse unserer Studie waren so ausgeprägt, dass die Studie schon nach 60 Patienten abgebrochen wurde, obwohl eine Probandenzahl von 100 eingeplant war“, so Münzel.
Im Rahmen der Studie hatten die Wissenschaftler 60 Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung oder einem erhöhten Risiko für eine Herzerkrankung während des Schlafs mit simuliertem Nachtfluglärm beschallt. Das Durchschnittsalter der Probanden lag bei 61,8 Jahren. „In einem Feldversuch wurden die Patienten zu Hause einer Lärmbelastung ausgesetzt, bei der in einer Versuchsnacht insgesamt 60 Nachtflüge mit einem mittleren Schallpegel von 46 dBA simuliert wurden.
Zur Kontrolle hatten wir auch ein lärmfreies Nacht-Szenario“, erklärte Frank Schmidt aus der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik, der die Studie durchgeführt hat. Die Wissenschaftler stellten fest, dass Nachtfluglärm bei den Patienten die Gefäßfunktion, die mit hochauflösenden Ultraschallgeräten gemessen wurde, deutlich verschlechterte. „Bemerkenswert ist, dass der Lärm die Gefäße schädigte, obwohl die Patienten ihre Herzkreislaufmedikamente einnahmen, die die Gefäßfunktion vor Schäden schützen“, betonte Münzel. Außerdem verschlechterte sich die Gefäßfunktion unabhängig davon, ob sich die Patienten über den Lärm geärgert hätten oder nicht.
„Das Schweigen und die Untätigkeit der Politik gegenüber der Fluglärmproblematik und den Fluglärmgeschädigten macht betroffen. Noch schlimmer ist, dass so getan wird, als beträfe Fluglärm nur wenige und dann auch nur ein bisschen. Das Gegenteil ist aber der Fall“, betonte Jürgen Hoffart, Vorsitzender der Bezirksärztekammer Rheinhessen.
Zwei konkrete Maßnahmen forderte Henning Thole, Mitglied im Arbeitskreis „Ärzte gegen Fluglärm“ und der Fluglärmschutzkommission Tegel. Zunächst müsse die Politik die Lärmgrenzwerte im sogenannten Fluglärmschutzgesetz den medizinischen Erkenntnissen anpassen. „Außerdem brauchen wir eine nationale Luftverkehrsplanung, um den unkontrollierten Wildwuchs der Flughäfen und des Flugverkehrs zu stoppen“, so Thole.
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