Fossile Energien gefährden Gesundheit von der „Wiege bis zur Bahre“

Berlin – Fossile Brennstoffe verursachen nicht nur Treibhausgasemissionen, sondern schädigen die menschliche Gesundheit entlang ihres gesamten Nutzungszyklus. Das zeigt ein Bericht der Global Climate and Health Alliance (GCHA). Er fasst die gesundheitlichen Folgen fossiler Energien für Menschen „von der Wiege bis zur Bahre“ zusammen.
„Von der ersten Extraktion bis zur letzten Emission sind fossile Brennstoffe die stillen Architekten von Leid, sie fordern Leben und untergraben die Lebensqualität unzähliger Menschen“, schreibt Lujain Alqodmani, Immediate Past President der World Medical Association, im Vorwort. Die Verbindung zwischen der Gesundheit der Menschen und der des Planeten sei „unleugbar und unausweichlich“.
Gesundheitsgefahren in allen Lebensphasen
Der Bericht zeigt: Schadstoffe aus Kohle, Öl und Gas gelangen über Haut, Atemwege und den Magen-Darm-Trakt in den Körper und reichern sich dort teilweise über Jahrzehnte an. Besonders gefährlich seien Feinstaub (PM2,5), Benzol, Schwermetalle wie Blei und Quecksilber sowie „Ewigkeitschemikalien“ (PFAS), die sich in Böden, Gewässern und Lebensmitteln anreichern.
„Fossile Brennstoffe sind ein direkter Angriff auf unsere Gesundheit. Sie schaden uns in jeder Phase unseres Lebens, vom Mutterleib bis ins hohe Alter, und verursachen Fehlgeburten, Leukämie bei Kindern, Asthma, Krebs, Schlaganfälle und psychische Krisen“, fasst Shweta Narayan, eine der Autorinnen des Berichts, zusammen.
Die GCHA ist ein Zusammenschluss von mehr als 200 Gesundheitsorganisationen aus über 125 Ländern. Die Allianz betrachtet Klimaschutz als Gesundheitsfrage und vertritt nach eigenen Angaben 46 Millionen Gesundheitsfachkräfte weltweit.
Von der Schwangerschaft bis ins hohe Alter
Im Report werden die Gesundheitsfolgen exemplarisch beschrieben:
Vor der Geburt: Nähe zu Kohleminen oder Fracking-Anlagen erhöht das Risiko für Frühgeburten, niedriges Geburtsgewicht und Fehlbildungen wie Spina bifida oder Herzfehler. Fehl- und Totgeburten treten ebenfalls häufiger auf.
Kinder: Sie sind durch schnellere Atmung und engere Atemwege besonders gefährdet. Studien zeigen, dass das Aufwachsen in der Nähe von Raffinerien oder stark befahrenen Straßen das Risiko für Leukämien erhöht. Auch Asthma ist in belasteten Regionen überdurchschnittlich häufig.
Erwachsene: Chronische Exposition führt häufiger zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen oder Krebs.
Ältere Menschen: Eingeschränkte Organfunktionen, bedingt durch Vorerkrankungen, machen Seniorinnen und Senioren besonders anfällig für Luftschadstoffe, was zu einer höheren Sterblichkeit beiträgt.
„Die giftigen Hinterlassenschaften fossiler Brennstoffe bleiben jahrzehntelang in unserer Luft, unserem Wasser und unseren Körpern bestehen, gefährden Gemeinschaften auf der ganzen Welt und belasten insbesondere marginalisierte Gemeinschaften“, so Narayan. „Selbst wenn die Kohlenstoffemissionen morgen eingefangen würden, würden fossile Brennstoffe weiterhin vergiften, vertreiben und destabilisieren. Sie sind nicht nur ein Klimaproblem, sondern führen auch zu einer globalen Gesundheitskrise.“
Jeder Produktionsschritt verursacht Schäden
Jeder Schritt der Verarbeitung fossiler Energien ist dem Report zufolge mit gesundheitlichen Risiken verbunden:
Extraktion: Bergbau, Bohrungen und Fracking setzen Staub, Methan, flüchtige organische Verbindungen, Schwermetalle und radioaktive Substanzen frei.
Raffination und Verarbeitung: In Raffinerien und Gasverarbeitungsanlagen entstehen Benzol, Toluol, polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid.
Transport und Lagerung: Leitungen, Schiffe und Lastwagen setzen flüchtige organische Verbindungen, Methan und andere Schadstoffe frei.
Verbrennung: Sie führt zu Feinstaub, Ruß, Ozon, Stickstoffdioxid, PAK und anderen Schadstoffen.
Rückstände: Umgang mit Reststoffen kann Arsen, Quecksilber, Blei, Chrom, Cadmium und weitere giftige Substanzen freisetzen.
Die gesundheitlichen Folgen betreffen Herz, Lunge, Gehirn, Leber, Nieren, das reproduktive System, Blutkreislauf, Knochen, Immunsystem und die psychische Gesundheit.
Ungleich verteilte Risiken
Nicht alle Bevölkerungsgruppen sind dem Report zufolge gleichermaßen betroffen. Arbeiterinnen und Arbeiter in Kohleminen oder Raffinerien sind Schadstoffen oft unmittelbar ausgesetzt. Gleichzeitig leben überproportional viele einkommensschwache und marginalisierte Gruppen in der Nähe von Industrieanlagen oder stark befahrenen Straßen. Dort sei die gesundheitliche Belastung besonders hoch, so der Bericht.
Die Analyse stützt sich nicht nur auf peer-reviewte wissenschaftliche Studien, sondern auch auf Fallbeispiele aus verschiedenen Regionen der Welt – etwa zu Öl- und Kohleabbau in Nigeria und Indien oder zu Luftverschmutzung in den USA. Ergänzt werden diese Daten durch persönliche Berichte von Betroffenen sowie durch ärztliche Erfahrungsberichte. Die Autorinnen und Autoren betonen, dass diese Kombination notwendig sei, da Forschungslücken und Industrieeinfluss die akademische Literatur oft einschränkten.
Forderung nach schneller Energiewende
„Die Wissenschaft ist eindeutig: Unsere anhaltende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen kostet heute Leben und Lebensgrundlagen und bringt die Welt auf einen potenziell katastrophalen Klimakurs“, betont Marina Romanello, Executive Director des Lancet Countdown. Ein schneller und gerechter Übergang zu erneuerbaren Energien könne jährlich mehr als 2 Millionen Todesfälle durch verbesserte Luftqualität verhindern, gesündere Arbeitsplätze schaffen und den Zugang zu zuverlässiger Energie verbessern. „Mit dieser Beweislast gibt es keine Entschuldigung mehr für weitere Verzögerungen“, so Romanello.
Der Bericht formuliert konkrete politische Forderungen: keine neuen Genehmigungen für Öl-, Gas- und Kohleprojekte, Abbau fossiler Subventionen, die Einführung des Verursacherprinzips („polluter pays“) und eine konsequente Regulierung von Emissionen. Zudem soll die Gesundheitsforschung in betroffenen Gemeinden gestärkt und der Einfluss der fossilen Industrie in Politik und Öffentlichkeit beschränkt werden.
Die Autorinnen und Autoren betonen, dass ein schneller Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas nicht nur eine ökologische Notwendigkeit sei, sondern ein gesundheitspolitisches Gebot.
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