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FSME: Deutschland aufgrund des Klimawandels Endemiegebiet

  • Freitag, 14. April 2023
/Cris Ritchie Photo, stock.adobe.com
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Stuttgart – Ganz Deutschland ist inzwischen Endemiegebiet für die von Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Grund dafür sei der Klimawandel. Das erklärten heute Forschende der Universität Hohenheim.

„Wir können nicht mehr wirklich ein Bundesland herausnehmen, in denen es keine FSME-Fälle gibt, daher spre­chen wir mittlerweile von einem Endemiegebiet Deutschland“, sagte Ute Mackenstedt, Leiterin des Fachgebiets für Parasitologie an der Universität Hohenheim.

In diesem Jahr habe es bereits 17 registrierte FMSE-Fälle gegeben, die ersten Fälle sogar im Februar. „Wir sehen eine Verlagerung in den früheren Bereich des Jahres“, sagte Mackenstedt. Das lässt sich der Zeckenforscherin zufolge nur aufgrund milder Winter erklären.

Anstieg vor allem durch warme Winter

„Die warmen Winter scheinen das Überleben der Nymphen, die hauptsächlich für die FSME-Übertragung beim Menschen verantwortlich sind, zu begünstigen,“ sagte auch Gerhard Dobler, Mikrobiologe und Leiter des Natio­nalen Konsiliarlabors für FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr.

Während die Zahl der Erwachsenen Zecken den Forschenden zufolge gleich bleibt, habe es in den vergangenen Jahren eine signifikante Zunahme von aktiven Nymphen, insbesondere in den Monaten März, April und Mai ge­geben. „Das ist genau die Zeit, in der die Menschen in die Natur gehen“, so Dobler. Zusätzlich seien Zecken mittlerweile auch in höheren Gebieten in den Bergen aktiv.

2020 gab es einen Höchststand mit 717 FSME-Fällen in Deutschland. „Wir sind alle davon ausgegangen, dass es vermutlich coronabedingt gewesen ist, leider sehen wir den Trend jedoch weiterhin“, sagte Dobler.

Der Wissenschaftler zweifelt mittlerweile jedoch daran, dass die hohen Infektionszahlen nur dem Umstand ge­schuldet gewesen seien, dass sich die Menschen im Jahr 2020 während des Lockdowns mehr in der Natur auf­gehalten hätten. Denn die Infektionszahlen nehmen weiter zu.

Zwar waren die gemeldeten FSME-Infektionen im Jahr 2021 mit 424 gemeldeten Fällen wieder geringer als 2020, doch stiegen sie im Jahr 2022 wieder um etwa 30 Prozent auf 546 an. „Auch in Österreich mit über 80 Prozent Impfungsrate in der Bevölkerung sehen wir diesen Trend“, so Dobler. Hier seien jedoch ungeimpfte Personen betroffen, denn die Impfung habe eine Effektivität von mehr als 95 Prozent.

Impfraten in Deutschland gering

Während es in Österreich ein Impfregister gibt, lässt sich in Deutschland die Impfbereitschaft nur anhand der verkauften Impfdosen abschätzen. Dem epidemiologischen Bulletin 9/23 des RKI zufolge lagen die Impfquoten in Deutschland 2020 selbst in den südlichen Bundesländern mit hohem Risiko zwischen 18 und knapp 30 Pro­zent.

Allerdings liege die tatsächliche Schutzrate vermutlich höher, wie Dobler mitteilte. Das RKI erkenne nur kom­plette Impfungen als solche an. „Teilimpfungen oder das Versäumen der Auffrischimpfung gilt dabei nicht mehr als geimpft, aber bei diesen Personen finden wir noch schützende Antikörper“, sagte Dobler. In Bayern gebe es dadurch sogar Schutzraten von bis zu 70 Prozent.

FMSE in fast allen Bundesländern

Derzeit gelten 178 Stadt- und Landkreise in Deutschland als FSME-Risikogebiete, das sind drei mehr als im ver­gangenen Jahr. Dazu gehören vor allem Bayern und Baden-Württemberg, Südhessen, das südöstliche Thüringen, Sachsen und das südöstliche Brandenburg.

Insgesamt gibt es dem aktuellen Bulletin des RKI in elf von 16 Bundesländern bereits Risikogebiete, die teils jedoch nur einen Landkreis betreffen. Ausgenommen sind Mecklenburg-Vorpommern und die Stadtstaaten Bremen, Berlin und Hamburg.

Dobler gab jedoch zu bedenken, dass die Risikogebietskarte des RKI nicht die Verbreitung der FSME in Deutschland, sondern ihre Inzidenz pro 100.000 anzeigt.

„Wenn die Fallzahl gering ist, aber die Bevölkerung sehr hoch, dann ist es laut RKI-Definition kein Risikogebiet, obwohl es dort FSME-Fälle gibt“, erklärt der Mikrobiologe. So habe er und sein Forschungsteam auch in einer Reihe von Landkreisen, die nicht als FSME-Risikogebiet gekennzeichnet seien, nachweisen können.

Impfempfehlung individuell

Eine generelle Impfempfehlung für ganz Deutschland sprechen die Forschenden jedoch nicht aus. Die FMSE sei für alle empfohlen, die in der Natur unterwegs seien, so Dobler. Mackenstedt betonte, dass zu der Natur auch der eigene Garten gehören könne. Dieser Umstand sei jedoch nur für Bereiche in Süddeutschland nachgewie­sen. „Allerdings können wir nirgendwo in Deutschland sagen, hier gibt es auf keinen Fall Naturherde“, so Ma­ckenstedt.

Die allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) gilt jedoch nur für ausgewiesene Risi­kogebiete und für beruflich exponierte. „Auf individueller Basis kann die Impfung auch in nicht Risikogebieten empfohlen werden“, sagte Dobler. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn Personen häufig in der Natur sind. Da­durch sind die Krankenkassen jedoch nicht verpflichtet, die Kosten für alle Versicherten aus Nichtrisikogebie­ten zu übernehmen.

mim

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