Politik

Zentrale Teams für die Versorgung schwer psychisch kranker Kinder

  • Donnerstag, 21. März 2024
/sementsova321, stock.adobe.com
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Berlin – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat heute ein neues Konzept für die Versorgung schwer psychisch kranker Kinder und Jugendlicher mit komplexem psychiatrischem und psychotherapeutischem Behandlungsbedarf beschlossen.

Mit dem Beschluss beziehungsweise der entsprechenden Richtlinie (KJ-KSVPsych-RL) legt das Gremium nach eigenen Angaben die Grundlagen für eine berufsgruppenübergreifende und koordinierte Versorgung dieser Zielgruppe.

Durch die Regelungen solle auch eine bessere Zusammenarbeit an den Schnittstellen der unterschiedlichen Behandlungs- und Hilfesysteme und bei der Überleitung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in die Erwachsenenversorgung ermöglicht werden.

Für schwer psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche steht ein breites Leistungsspektrum ganz unter­schied­licher Hilfesysteme zur Verfügung: von Leistungsanbietern innerhalb der gesetzlichen Krankenversiche­rung (GKV) über die Jugendhilfe der Kommunen bis hin zum Kinder- und Jugendpsychiatrischen Krisendienst verschiedener Träger.

„Die Behandlungs- und Hilfesysteme stoßen bei schwer psychisch kranken Kinder und Jugendlichen oft an ihre Grenzen, da ein höchst individuelles Versorgungsangebot gebraucht wird, das immer wieder überprüft und angepasst werden muss“, sagte Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied und Vorsitzende des Unterausschusses Psychotherapie und psychiatrische Versorgung.

Regionale Netzverbünde, wie sie für schwer psychisch kranke erwachsene Patienten in einer eigenen Richt­linie vorgesehen sind, seien hier kein praktikables Organisationsmodell.

Für ein koordiniertes und kooperatives Versorgungsnetz sieht das neue Versorgungskonzept stattdessen so­genannte Zentrale Teams vor, die bedarfsabhängig erweitert werden könnten und auch Kooperationen ein­gehen sollen. Diese Kooperationen seien deshalb wichtig, weil sie die Brücke in Hilfesysteme außerhalb der GKV darstellen. Verpflichtende Vorgaben kann der G-BA nur für Leistungsanbieter der GKV treffen.

Genereller Leitgedanke ist es dem G-BA Beschluss zufolge, den Willen der jungen Patientinnen und Patienten und der Sorgeberechtigten in die Therapieplanung einzubeziehen und die individuellen Teilhabe- und Ent­wicklungsziele zu unterstützen.

Das Versorgungskonzept sieht eine Ansprechperson mit ärztlicher oder psychotherapeutischer Qualifikation vor, die insbesondere die erforderliche Beziehungsstabilität für die Kinder und Jugendlichen gewährleistet und einen Gesamtbehandlungsplan abstimmt sowie die Verantwortung für die Koordination der Versorgung übernimmt.

Diese Ansprechperson ist Teil des Zentralen Teams, zu dem mindestens eine Person mit fachärztlicher Qua­lifikation, eine Person mit psychologischer Qualifikation sowie eine koordinierende nicht ärztliche Person gehören.

Die Ausgestaltung der Zusammenarbeit bestimmt sich nach Angaben des G-BA patientenindividuell: Besteht beispielsweise Bedarf an Krankenhausbehandlung, Ergotherapie oder psychiatrischer häuslicher Kranken­pfle­ge, können diese Institutionen oder Leistungserbringer einbezogen und ein sogenanntes Erweitertes Team gebildet werden.

Zudem könnten Akteure außerhalb der GKV in das Erweiterte Team eingebunden werden, um die Zusammen­arbeit beispielsweise mit Einrichtungen der Jugendhilfe und schulpsychologischen Diensten zu verbessern. In regelmäßigen, patientenorientierten Fallbesprechungen soll überprüft werden, ob die Therapieziele erreicht werden und wie der junge Patient bestmöglich unterstützt werden kann.

Die Erstfassung der KJ-KSVPsych-RL tritt nach Prüfung des Bundesministeriums für Gesundheit und Veröffent­lichung im Bundesanzeiger in Kraft. Anschließend legt der Bewertungsausschuss der Ärzte und Krankenkas­sen die benötigten Vergütungsziffern fest. Die Kassenärztlichen Vereinigungen stellen dann ein fortlaufend aktualisiertes Verzeichnis der Teilnahmeberechtigten bereit.

„Das wichtige Reformvorhaben für eine koordinierte ambulante Versorgung von schwer psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen ist endlich auf den Weg gebracht worden“, kommentierte Andrea Benecke, Präsi­dentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die Entscheidung.

Der G-BA habe den Besonderheiten der Versorgung von Kindern und Jugendlichen Rechnung getragen und mit der neuen Richtlinie die Grund­lage für eine teambasierte multiprofessionelle Versorgung geschaffen.

Benecke bezeichnete aber die Vorgabe als problematisch, dass stets eine nicht ärztliche koordinierende Person Teil des Zentralen Teams sein müsse, an die obligatorisch bestimmte Koordinationsleistungen von Psychotherapeuten und Ärzten zu delegieren seien.

Ärzte und Psychotherapeuten könnten selbst am besten beurteilen, in welchen Fällen und an wen eine De­legation von Koordinationsleistungen sinnvoll und effizient sei, sagte Benecke. Darüber hinaus bestünden auch bei den dafür vorgesehenen Gesundheitsberufen ein Fachkräftemangel oder lange Wartezeiten, sodass ein neues Nadelöhr entstehen könnte.

„Schwer psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche mit einem komplexen psychotherapeutischen und psy­chiatrischen Behandlungsbedarf benötigen häufig auch Leistungen aus anderen Hilfesystemen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung“, erläuterte Cornelia Metge, Vorstandsmitglied der BPtK.

Die Richtlinie biete künftig den Rahmen für eine bessere Zusammenarbeit und Koordination der Leistungen an diesen Schnittstellen, zum Beispiel zur Jugendhilfe, zu Schule und Kita oder zur Eingliederungshilfe. Insbe­sondere die vorgesehenen regelmäßigen interdisziplinären Fallkonferenzen, die Teilnahme an SGB-übergrei­fenden Hilfekonferenzen und die verschiedenen Koordinationsleistungen könnten zum Gelingen einer gut abgestimmten multiprofessionellen Versorgung beitragen.

PB/EB

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