Ärzteschaft

Gassen warnt vor neuen Schnittstellen in der Notfallversorgung

  • Freitag, 6. Dezember 2019
KBV-Chef Andreas Gassen /Lopata
KBV-Chef Andreas Gassen /Lopata

Berlin – Gegen die Einrichtung eines eigenständigen dritten Sektors für die Notfallver­sor­gung hat sich heute in Berlin erneut der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, ausgesprochen. Würden an ausgewählten Krankenhäusern organisatorisch und wirtschaftlich eigenständige integrierte Notfallzent­ren geschaffen, wie es in der Politik diskutiert werde, schaffe das nur neue Schnittstellen – „und zwar ohne Not“, erklärte Gassen bei der KBV-Vertreterversammlung.

Denn bereits heute arbeiteten in den Regionen Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte in Portalpraxen oder Bereitschaftsdienstpraxen gut zusammen. Diese gewachsenen Struk­turen müssten erhalten bleiben. Das habe Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) immerhin zugesagt. Gassen rechnet damit, dass die Reform der Notfallversorgung eines der ersten gesetzgeberischen Vorhaben im neuen Jahr wird.

Damit Patienten an der richtigen Stelle versorgt werden und nicht mit Bagatellerkran­kun­gen die Notaufnahmen der Krankenhäuser aufsuchen, haben die KBV und die Kassenärzt­lichen Vereinigungen die Rufnummer des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes ausge­baut.

Gassen wies darauf hin, dass ab Anfang 2020 unter der 116117 eine telefonische Erstein­schätzung vorgenommen werden kann. Der Anruf von Patienten ende mit einer Empfeh­lung zur angemessenen Versorgungsebene, gegebenenfalls ergänzt um die Vermittlung eines Termins beim Haus- oder Facharzt oder beim Psychotherapeuten. Die medizinische Ersteinschätzung am Telefon eröffne erstmals die Chance, Patienten zu navigieren und die Ressource Arzt und Psychotherapeut bedarfsgerecht einzusetzen. Das scheue die Politik.

Ältere und chronisch Kranke könnten das Nachsehen haben

Gassen rechnet durch das erweiterte Angebot mit steigenden Anruferzahlen. Die von den KVen ungeliebten Terminservicestellen hätten im vergangenen Jahr 220.000 Termine vermittelt. Gemessen an einer Milliarde Arzt-Patient-Kontakte sei das allerdings nicht viel, meinte Gassen. Offenbar habe die Politik das Problem der Wartezeiten auf Termine beim Facharzt überschätzt.

Ungeklärt sei auch, ob die richtigen Patienten vermehrt Termine erhielten. Die neu ein­geführten finanziellen Anreize, neue Patienten aufzunehmen, könnten dazu führen, dass Ältere und chronisch Kranke das Nachsehen hätten. „Wir bekommen hier ein neues Ver­sorgungsproblem“, warnte Gassen.

Der KBV-Vorsitzende erneuerte außerdem seine Forderung nach einer angemessenen und vor allem unbudgetierten Vergütung für Ärzte und Psychotherapeuten. Er tat dies insbe­son­dere mit Blick auf eine von der großen Koalition eingesetzte Arbeitsgruppe, die Vor­schläge für eine umfassende Vergütungsreform erarbeiten soll. „Wir brauchen keine Ein­heits­gebührenordnung“, erklärte Gassen. Er plädierte für den Erhalt des dualen Systems aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung mit den entsprechenden Gebühren­ordnungen.

Im Jahresrückblick bescheinigte Gassen dem Bundesgesundheitsminister „gesetzgeberi­sche Hyperaktivität“. Dass die Flut an Gesetzen meist nur in Teilen und zeitversetzt in Kraft trete, mache das Ganze zusätzlich unübersichtlich. Doch Spahn habe zumindest eine Idee und wolle etwas verändern.

„Das kennen wir sonst aus der Bundesregierung gar nicht mehr“, meinte Gassen. Der Mi­nister liege nicht immer richtig, er verschließe sich aber nicht guten Argumenten. „Wir müssen in den Diskurs treten und um sinnvolle Regelungen ringen“ sagte der KBV-Vor­sitzende. Es sei der Mühe wert, denn das Angebot zur Debatte sei für Spahn keine leere Hülse, sondern ernst gemeint.

HK

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