Ausland

Gaza: Entsetzen über Tod von Helfern bei israelischem Angriff

  • Dienstag, 2. April 2024
Bei einem mutmaßlich israelischen Luftangriff im Gazastreifen sind nach Angaben der Hilfsorganisation World Central Kitchen mehrere ihrer Mitarbeiter getötet worden./picture alliance, APA Images via ZUMA Press Wire, Omar Ashtawy
Bei einem mutmaßlich israelischen Luftangriff im Gazastreifen sind nach Angaben der Hilfsorganisation World Central Kitchen mehrere ihrer Mitarbeiter getötet worden./picture alliance, APA Images via ZUMA Press Wire, Omar Ashtawy

Tel Aviv/Gaza – Der Tod von ausländischen Helfern im Gazastreifen bei einem israelischen Luftangriff hat international große Empörung ausgelöst. Die Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) bestätigte heute den Tod von sieben Mitarbeitern.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach in einer Videobotschaft von einem „tragischen Fall eines unabsichtlichen Treffers unserer Streitkräfte gegen Unschuldige im Gazastreifen“. Man prüfe den Vorfall und werde alles tun, damit er sich nicht wiederhole.

Die sieben Opfer stammten laut Mitteilung von World Central Kitchen aus Australien, Polen, Großbritannien und den Palästinensergebieten – zudem habe eines der Opfer die amerikanische und kanadische Staatsbürger­schaft. Die Organisation will angesichts des tödlichen Vorfalls ihren Einsatz in der Region sofort stoppen und bald Entscheidungen „über die Zukunft unserer Arbeit treffen“.

„Das WCK-Team war in einer konfliktfreien Zone in zwei gepanzerten Fahrzeugen mit dem WCK-Logo und einem ungeschützten Fahrzeug unterwegs“, schrieb die Hilfsorganisation. Der Konvoi sei getroffen worden, obwohl man die Fahrt mit der israelischen Armee koordiniert habe.

Die Helfer hätten gerade ein Lagerhaus in der Ortschaft Deir al-Balah im zentralen Abschnitt des Gazastreifens verlassen, als sie beschossen worden seien. Dort hätten sie mehr als 100 Tonnen humanitärer Lebensmittelhilfe entladen, die auf dem Seeweg in den Gazastreifen gebracht worden sei.

Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sagte, Israels Armee sei an internationales Recht gebunden. „Wir sind verpflichtet, unsere Einsätze gründlich und transparent zu untersuchen“, sagte Hagari. „Wir werden eine Untersuchung eröffnen, um diesen schwerwiegenden Vorfall weiter zu prüfen. Dies wird uns dabei helfen, die Gefahr zu verringern, dass sich so ein Vorfall wiederholt.“

Er sprach dabei von der Untersuchung durch ein unabhängiges und professionelles Expertengremiums. Man werde der Sache auf den Grund gehen und die Ergebnisse transparent teilen.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1.200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer islamistischer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katas­trophalen Lage im Gazastreifen steht Israel international immer stärker in der Kritik.

World Central Kitchen ist eine Hilfsstiftung, die der aus Spanien stammende Starkoch José Andrés 2010 unter dem Eindruck des verheerenden Erdbebens in Haiti gegründet hat. WCK versorgt seitdem Menschen in Katas­tro­phengebieten auf der ganzen Welt mit Mahlzeiten.

„Dies ist nicht nur ein Angriff auf WCK, dies ist ein Angriff auf humanitäre Organisationen, die in schlimmsten Situationen kommen, in denen Nahrung als Waffe im Krieg eingesetzt wird“, sagte der Geschäftsführer der Organisation, Erin Gore. „Dies ist unverzeihlich.“

Die Familie einer getöteten Mitarbeiterin aus Australien sagte, die 43-Jährige sei ums Leben gekommen, „wäh­rend sie die Arbeit verrichtete, die sie liebte“. Sie werde „ein Vermächtnis des Mitgefühls, des Mutes und der Liebe für alle in ihrem Umkreis hinterlassen“.

Unter anderem Ägypten verurteilte den Angriff scharf. Das ägyptische Außenministerium sprach in seiner Erklä­rung von heute von anhaltenden Angriffen Israels auf Organisationen, die im humanitären Bereich tätig seien. Ägypten fordere eine dringende und ernsthafte Untersuchung, um die Verantwortlichen „für diese systemati­schen und vorsätzlichen Verletzungen der palästinensischen Menschenrechte zur Rechenschaft zu ziehen“. Jor­daniens König Abdullah II. betonte, humanitäre Organisationen im Gazastreifen müssten geschützt werden.

Der Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen, Martin Griffiths, hob den Mut der sieben getöteten humani­tären Helfer in Gaza hervor. „Sie waren Helden. Sie wurden getötet, während sie versucht haben, hungernde Menschen zu ernähren“, schrieb er auf X.

Die britische Regierung forderte nach dem tödlichen Angriff Aufklärung von Israel. Die Nachricht sei zutiefst erschütternd, teilte der britische Außenminister David Cameron mit. Berichten zufolge seien auch britische Staatsbürger getötet worden. „Wir arbeiten daran, diese Informationen zu verifizieren, und werden ihren Fami­lien umfassende Unterstützung bieten.“

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez sagte: „Ich erwarte und fordere, dass die israelische Regierung so schnell wie möglich die Umstände dieses brutalen Angriffs aufklärt, der sieben Mitarbeitern einer Hilfsor­ganisation das Leben gekostet hat, die nichts anderes getan haben, als zu helfen“.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen schrieb bei X: „Ich würdige die Helfer, die in Gaza ihr Leben verlo­ren haben.“ Die Hilfsorganisation sei ein entscheidender Partner bei der Linderung des Leidens der Menschen in Gaza, unter anderem durch die Bereitstellung von Nahrungsmitteln über den Seekorridor.

Parteigründerin Sahra Wagenknecht fordert ein sofortiges Waffenembargo gegen Israel. „Das Sterben in Gaza und die Angriffe Israels in Nachbarländern müssen unverzüglich enden“, sagte Wagenknecht. „Dass Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen, die Hungernde versorgen wollten, ins Visier der israelischen Armee geraten sind, muss Konsequenzen haben.“

Der Angriff hat unmittelbare Folgen für die humanitäre Hilfe. Die Schiffe „Jennifer“ sowie die Schlepper „Open Arms“ und „Ledra Dynamic“ seien auf dem Rückweg zum zyprischen Hafen Larnaka, bestätigte der Sprecher des zyprischen Außenministeriums Theodoros Gotsis.

Nur eine mitgeführte schwimmende Plattform mit rund 110 Paletten Gütern sei am Gazastreifen gelöscht wor­den, bevor es auf dem Festland zum Angriff auf den Hilfskonvoi kam. „Die Jennifer kehrte anschließend unver­richteter Dinge zurück“, sagte Gotsis. Sie habe rund 250 Tonnen Hilfsgüter an Bord.

dpa

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