Politik

Gehsteig­belästigungen: Sachverständige uneins über Gegenmaßnahmen

  • Dienstag, 14. Mai 2024
Ausschusssitzung (Archivbild) /picture alliance, Wolfgang Minich
Ausschusssitzung (Archivbild) /picture alliance, Wolfgang Minich

Berlin – Die Bundesregierung möchte Schwangere, die eine Abtreibungsberatung in Anspruch nehmen, wirk­samer vor sogenannten Gehsteigbelästigungen durch Abtreibungsgegner schützen und dafür sorgen, dass das Fachpersonal der Beratungsstellen seine Arbeit ungestört ausüben kann.

Sachverständige verschiedener Verbände waren bei einer Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gestern aber uneins, ob die dazu geplanten Maßnahmen zielführend sind.

Die von der Bundesregierung geplante Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes sieht unter anderem vor, in einem Bereich von 100 Metern um den Eingangsbereich der Beratungsstellen „nicht hinnehmbare Ver­haltensweisen“ zu untersagen, wenn diese die Inanspruchnahme der Beratung oder den Zugang zu den Ein­richtungen beeinträchtigen.

Laut Claudia Hohmann, Leiterin der Beratungsstelle Pro Familia Frankfurt am Main, haben die Belagerungen von Schwangerschaftsberatungsstellen zugenommen. Es dürfe keine Beeinflussung vor den Beratungsstellen stattfinden, forderte sie.

Karsten Scholz als Vertreter der Bundesärztekammer (BÄK) unterstützte ausdrücklich die Einführung von Belästigungsverboten. Ebenso Daniela Schneckenburger vom Deutschen Städtetag – der Gesetzentwurf kann aus ihrer Sicht zu einem rechtssicheren und bundeseinheitlichen Umgang beitragen.

Tomislav Čunović, Geschäftsführer des Vereins „40 Days for Life International“, sprach hingegen von einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Friedliche und christlich motivierte Lebensretter sollten „unter Generalverdacht“ gestellt werden, beklagte er.

Steffen Augsberg von der Justus-Liebig-Universität Gießen hält den Gesetzentwurf für überflüssig und zu­gleich übergriffig. Bedrohungen, Nötigungen und Beleidigungen seien schon jetzt geregelt, sagte er. Auf der anderen Seite seien die Proteste, vor denen die Schwangeren geschützt werden sollten, ihrerseits durch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit grundrechtlich geschützt.

Sigrid Boysen von der Universität der Bundeswehr Hamburg sieht hingegen keinen unzulässigen Eingriff in die Meinungs- oder Versammlungsfreiheit. Es gehe in dem Fall nicht um einen Meinungskampf im öffentli­chen Raum. Der Gesetzgeber verfolge das Ziel, die verpflichtende Beratungslösung zu schützen.

Durch die Regelung werde Rechtssicherheit geschaffen, befand Sina Fontana von der Universität Augsburg. Der Gesetzentwurf diene der Schutzpflicht für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Schwangeren, so ihre Haltung.

Helmut Frister von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zeigte sich indes skeptisch, ob durch den Entwurf tatsächlich mehr Rechtssicherheit in Sachen Gehsteigbelästigung geschaffen werden könne.

hib/EB

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