Gemischte gesundheitliche Bilanz bei Lebensmittelverbrauch in Deutschland

Berlin – Beim Lebensmittelverbrauch in Deutschland sind aus einer gesundheitlichen Warte sowohl positive als auch negative Entwicklungen zu beobachten. Der Verbrauch von Gemüse etwa entwickele sich in eine wünschenswerte Richtung, sei unter gesundheitlichen Gesichtspunkten aber immer noch deutlich zu gering, geht aus dem 15. Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) hervor, der gestern in Berlin vorgestellt wurde.
Demnach wurden aus dem gesundheitlichen Blickwinkel hierzulande auch zu wenig Vollkornprodukte, Obst, Nüsse, Hülsenfrüchte, Milchprodukte und Fisch verbraucht. Umgekehrt sei jedoch etwa der Verbrauch von Softdrinks, raffiniertem Getreide, rotem Fleisch und Fleischerzeugnissen zu hoch, heißt es auf der Grundlage einer Auswertung auf Basis der Agrarstatistik.
Bei Softdrinks entferne sich der Verbrauch auch vom Optimum, sagte der Autor des Kapitels zu Verbrauchstrends seit 2012, Kurt Gedrich von der TU München. Die deutlich positivsten gesundheitlichen Effekte hätte laut seiner Untersuchung ein höherer Verbrauch von Vollkornprodukten in Deutschland, wie die DGE betont.
Verzehrdaten lagen nicht vor. Zur Bewertung des Verbrauchs aus gesundheitlicher Perspektive wurden theoretical minimum exposure levels geschätzt. Daneben betrachtete das Autorenteam den Lebensmittelverbrauch auch hinsichtlich Umwelt- und Klimaschutzaspekten.
Es hält fest, dass unter diesen Gesichtspunkten eindeutig eine Ernährungsweise anzustreben sei, „die sich vorwiegend aus pflanzlichen Produkten zusammensetzt“. Krankheits- und Umweltlast ließen sich reduzieren, indem mehr Gemüse, Obst und Nüsse verzehrt würden, aber weniger Fleisch und Softdrinks.
Angebote der Systemgastronomie unter der Lupe
Die letztgenannten Produkte spielen nicht zuletzt eine Rolle in der Systemgastronomie, etwa in internationalen Fastfoodketten. Das Angebot von 14 Systemgastronomieketten und das Nutzungsverhalten der Kundschaft hat ein Team der Hochschule Anhalt für ein weiteres Kapitel im Ernährungsbericht analysiert.
Wichtig seien für die befragten Menschen gute Erreichbarkeit, schneller Service sowie das verlässliche Angebot gewesen, berichtete die Professorin für Ernährungspsychologie, Katja Kröller, von der Hochschule Anhalt. Aber auch der Preis sowie Werbe- und Rabattaktionen spielten eine Rolle.
Impulsivität und der Glauben, dass ungesundes Essen besser schmecke als gesundes, spielten bei den Konsumenten eine Rolle, sagte Kröller. Aufklärung sei der falsche Weg, denn die Menschen wüssten bereits, dass die von ihnen geschätzten Speisen wie allen voran Burger nicht gesund und auch nicht nachhaltig seien.
Andere Wege wären aus ihrer Sicht Rezeptveränderungen, etwa mit weniger Fleisch und mehr Gemüse – „aber man dürfte nicht damit werben“, sagte Kröller. Mit Geschmack und Genussorientierung zu werben, wäre aus ihrer Sicht hingegen ein vielversprechender Hebel. Auch kostenfreies oder preisgünstigeres Wasser und individuell wählbare Portionsgrößen könnten ihr zufolge Mittel sein, damit Menschen gesündere Konsumentscheidungen treffen.
Bisher würden vegetarische und vegane Speisen im Angebot der Systemgastronomie kaum genutzt, hätten aber aus ernährungsphysiologischer Sicht ohnehin kaum besser abgeschnitten als die konventionelle Kost, berichtete die Expertin. Meist gehe es um ein Zuviel an Kalorien, Fett, Zucker und Salz.
Mit dem Thema Übergewicht setzt sich eine weitere Arbeit im Bericht anhand verfügbarer Studiendaten aus großen nationalen Stichproben sowie aus weiteren regionalen oder gruppenspezifischen Erhebungen auseinander. „Übergewicht bzw. Adipositas sind in allen Altersgruppen weitverbreitet und haben in bestimmten Personengruppen weiter zugenommen, vor allem während der COVID-19-Pandemie“, halten die Autoren fest.
Die Pandemie wird als begünstigender Faktor beschrieben, was vor allem auf die Einschränkungen zurückzuführen sei, die etwa den Lebensstil der Menschen verändert und die mentale Gesundheit beeinflusst hätten.
In allen Altersgruppen bestünden soziale Gradienten: Gruppen mit niedrigerem sozioökonomischen Status seien besonders von Übergewicht betroffen. Während sich bei der Rolle des Migrationshintergrundes bei Erwachsenen kein wesentlicher Unterschied gezeigt habe, so seien Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger betroffen.
Aus Sicht der Fachleute sind Präventionsmaßnahmen nötig, um das Risiko für ein Entstehen von Adipositas und damit assoziierten Erkrankungen zu reduzieren und das Gesundheitssystem zu entlasten. „Den Lebensstilfaktoren Ernährung und Bewegung kommt dabei eine zentrale Rolle zu.“ Programme, bei denen Ernährung, körperliche Aktivität und Verhaltensänderungen kombiniert würden, seien am ehesten in der Lage, den Body Mass Index (BMI) zu senken.
Mit Blick auf die Ernährungsstrategie der Bundesregierung aus diesem Jahr klingen kritische Töne an: Da keine dezidierte Festlegung auf konkrete Ziele und Maßnahmen erfolgt sei, bleibe abzuwarten, inwieweit die Strategie einen Fortschritt im Vergleich zu früheren Initiativen darstelle. „Die Erfahrungen mit ähnlichen Bemühungen in der Vergangenheit hinsichtlich der Prävention von Adipositas stimmen skeptisch.“
In der Einleitung zum Bericht heißt es, dass die Erkenntnisse auch zeigten, dass erhöhter Handlungsbedarf bestehe – sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene. „Es gilt weiterhin, die ernährungsmitbedingten Krankheiten zu reduzieren und zugleich die ökologischen Herausforderungen im Ernährungsbereich zu bewältigen“. Ohne eine Ernährungswende seien diese Ziele nicht zu erreichen.
Ernährungberichte der DGE erscheinen seit 1969 im im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Die aktuelle Ausgabe ist die erste, die aus Gründen der Nachhaltigkeit und breiteren Zugänglichkeit ausschließlich als digitale Version erscheint. Der Download ist kostenfrei.
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