Generika: Zwei Drittel der Wirkstoffe werden in Asien produziert

Berlin – In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Produktion generischer Wirkstoffe zu einem großen Teil von Europa nach Asien verlagert. Wurden im Jahr 2000 noch etwa zwei Drittel der generischen Wirkstoffe in Europa produziert und ein Drittel in Asien, hat sich das Verhältnis heute umgekehrt. Das geht aus einer Studie hervor, die die Unternehmensberatung MundiCare im Auftrag von Pro Generika erstellt hat.
„Die Gründe dafür liegen im Kostendruck und in den ungleichen regulatorischen Rahmenbedingungen“, erklärte der Geschäftsführer von MundiCare, Andreas Meiser, gestern bei der Vorstellung der Studie in Berlin.
Für die Studie wurden 565 Wirkstoffe (Active Pharmaceutical Ingredient, API) untersucht, die in Europa häufig verordnet werden, darunter Propofol, Candesartan, Amoxicillin, Metformin, Simvastatin und Ramipril. Untersucht wurde dabei auch das Certificate of Suitability of Monographs of the European Pharmacopoeia (CEP), das im Rahmen der Zulassung als Nachweis der Wirkstoffqualität verwendet wird.

Der Studie zufolge werden 33 Prozent der CEPs für die untersuchten Wirkstoffe von europäischen Standorten gehalten. 63 Prozent der CEPs liegen in Asien, alleine 41 Prozent in Indien und 13 Prozent in China. Innerhalb Europas liegen neun Prozent der CEPs in Italien, jeweils fünf Prozent in Deutschland und Spanien und zwei Prozent in Frankreich. In Nordamerika werden nur drei Prozent der CEPs gehalten.
Die Gesamtzahl der CEPs liegt derzeit bei 3.786. 2.369 davon liegen in Asien, 1.260 in Europa. Im Jahr 2000 lag die Gesamtzahl noch bei 589. Somit ist in den vergangenen 20 Jahren die Zahl der Zertifikate in Europa zwar angestiegen – in Asien jedoch deutlich stärker.
„Der Zuwachs an CEPs wurde durch Patentausläufe und die damit einhergehende Zunahme der generischen APIs, andererseits durch neu hinzugekommene Hersteller vorangetrieben“, heißt es in der Studie. „Beiden Trends wird in Zukunft weniger Dynamik unterstellt.“
Asiatische Hersteller auf große Volumina fokussiert
Asiatische Hersteller produzieren der Studie zufolge vor allem große Volumina bestimmter generischer Wirkstoffe. Europa sei hingegen fokussiert auf Wirkstoffe mit niedrigem Produktionsvolumen, technisch komplexer Herstellungsweise und Produkte mit besonderen Qualitätsansprüchen.

Meiser wies darauf hin, dass sich die Hersteller generischer Wirkstoffe in China und Indien auf einzelne Provinzen beschränken, in Indien vor allem auf Maharashtra und Telangana, in China auf Zhejiang, Jiangsu und Shandong, die alle an der Küste liegen.
Es sei Zufall gewesen, dass in der vor allem durch COVID-19 betroffenen Provinz Hubei kaum Wirkstoffe hergestellt würden, meinte Meiser. Ansonsten wären die Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung in Europa größer gewesen.
In hohem Maße abhängig
Zudem erklärte Meiser, dass 93 der 565 untersuchten generischen Wirkstoffe nur noch außerhalb Europas hergestellt würden, darunter zum Beispiel Simvastatin. Für 56 Prozent der Wirkstoffe gebe es zudem nur noch eine bis fünf CEP-Zulassungen. Für 15 Prozent der Wirkstoffe gebe es sogar nur eine einzige CEP.
„Die Studie macht deutlich, dass die europäische Versorgung in hohem Maße abhängig ist – von nur wenigen Wirkstoffherstellern in sehr kleinen Teilen der Welt. Das birgt Risiken für die Versorgung mit Arzneimitteln“, resümierte Meiser.
Spielregeln für die Ausschreibung ändern
Während der Coronapandemie rückte diese Abhängigkeit auf die Tagesordnung sowohl der deutschen als auch der europäischen Politik.
Wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gestern auf der unter anderem von Pro Generika organisierten Konferenz „Für ein gesundes Europa“ erklärte, werde die Europäische Kommission in Kürze eine Arzneimittelstrategie vorlegen, in der es auch darum geht, wie eine vermehrte Arzneimittelproduktion in Europa von der Politik angereizt werden kann.
Der Geschäftsführer von Pro Generika, Bork Bretthauer, erklärte, welche Maßnahmen sich die Industrie wünscht. „Die Politik muss die Rahmenbedingungen ändern, die überhaupt erst zur Verlagerung der Produktion nach Asien geführt haben“, sagte er.
Dabei müsse sie bei den Rabattverträgen ansetzen, die in den vergangenen Jahren zu einem immer stärkeren Kostendruck in der Branche geführt hätten. Dem Arzneiverordnungs-Report zufolge lag das Einsparvolumen durch Rabattverträge im vergangenen Jahr bei fünf Milliarden Euro.
„Wir müssen weg von der Vorgabe, dass es nur nach dem niedrigsten Preis geht“, betonte Bretthauer. Stattdessen müsse bei den Ausschreibungen auch berücksichtigt werden, ob ein Generikahersteller Verträge mit mehreren Wirkstoffproduzenten habe, ob es robuste Lieferketten gebe und ob die Hersteller Umweltstandards einhielten.
„Es gibt einen Zielkonflikt, wenn es einerseits bei den Rabattverträgen nur nach dem Preis geht, und andererseits der Wunsch besteht, mehr Wirkstoffe in Europa zu produzieren“, sagte Bretthauer. Wenn die Politik eine Stärkung der Arzneimittelproduktion in Europa anstrebe, müsse sie die Spielregeln für die Ausschreibungen ändern.
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