Medizin

Genomanalyse: Nicht alle Zervixkarzinome werden durch HPV ausgelöst

  • Dienstag, 24. Januar 2017
Uploaded: 24.01.2017 18:38:17 by mis
HPV-Viren /dpa

Houston – Das Zervixkarzinom ist genetisch weniger homogen als bisher angenommen. Das TCGA Research Network schlägt in Nature (2017; doi: 10.1038/nature21386) eine neue Einteilung vor und belegt, dass nicht alle Karzinome durch humane Papilloma-Viren (HPV) ausgelöst werden.

Da Krebserkrankungen eine Folge von Mutationen sind, verspricht die Erbgutanalyse der Tumorzellen neue Einsichten in die Entstehung und die Behandlung von Tumoren. Beim Zervixkarzinom schien die Angelegenheit klar zu sein. Der Tumor wird durch Viren ausgelöst, die ihre Onkogene in den Zellen der Schleimhaut ablegen und dadurch das Krebswachstum auslösen. Die Entwicklung verläuft über eine zervikale intraepitheliale Neoplasie (CIN) in mehreren Stufen zum invasiven Karzinom. Das Zervixkarzinom ist durch eine Früherkennung in früheren CIN-Stadien heilbar und seit kurzem durch Impfung gegen onkogene HPV-Varianten überwiegend vermeidbar.

Ein Team des Cancer Genome Atlas (TCGA) Research Network um Christopher Vellano vom MD Anderson Cancer Center in Houston dürfte deshalb keine großen Überraschungen erwartet haben, als sie die Gene von Zervixkarzinomen eingehend genetisch und molekularbiologisch untersuchten. Doch bei acht der 178 untersuchten Primärtumoren fanden die Forscher auch bei einer intensiven Suche keine Hinweise auf eine Infektion mit HPV und seiner Onkogene wie E6 und E7, die für die Krebsentstehung verantwortlich gemacht wurden. Sieben der acht Karzinome unterschieden sich auch in anderen Genen deutlich von den übrigen Karzinomen. Sie zeigten vielmehr große Ähnlichkeit mit dem Endometriumkarzinom. Offenbar kann dieser Tumor auch in der Zervix entstehen (oder sich in der Frühphase dorthin ausbreiten). 

Die überwiegende Mehrzahl der Tumore war jedoch HPV bedingt, deshalb aber keineswegs homogen. Die Forscher unterschieden drei unterschiedliche Typen. Der erste war ein Plattenepithelkarzinom mit einer hohen Expression von Keratin-Genen („Keratin-high“), ein zweiter Typ war ein Plattenepithelkarzinom mit geringer Expression von Keratin-Genen („Keratin-low“), der dritte seltenere Tumor ist genetisch ein Adenokarzinom (hierzu gehören auch die HPV-negativen Karzinome). Ob sich diese Einteilung durchsetzen wird, dürfte von den Konsequenzen abhängen, die dies für die Therapie ergibt.

Diese Konsequenzen sind für einzelne Gene absehbar, die von einigen Tumoren vermehrt exprimiert werden. Dazu gehören CD274 und PDCD1LG2. Diese Gene enthalten die Information für die Liganden PD-L1 und PD-L2, mit denen Tumore sich der sie angreifenden Immunzellen entledigen können. Checkpoint-Inhibitoren wie Nivolumab und Pembrolizumab könnten bei diesen Tumoren wirksam sein. Andere Ansatzpunkte könnten sich aus den vermehrten Expression der Gene MED1, ERBB3, CASP8, HLA-A und TGFBR2 ergeben. Bei mehreren Tumoren lagen Gen-Fusionen vor, die das Gen BCAR4 aktivieren. BCAR4 steuert beim Mammakarzinom die Proliferation von Östrogen-Rezeptor-resistenten Tumoren. Die Behandlung mit dem Tyrosinkinase-Hemmer Lapatinib kann dies verhindern. 

Ob diese neuen Therapiestrategien erfolgreich sind, können nur klinische Studien zeigen. Neue Behandlungsansätze wären willkommen, da trotz des Screenings immer wieder Frauen am fortgeschrittenen Zervixkarzinom erkranken (und auch die Impfung dies in Zukunft nicht völlig verhindern wird). In Deutschland wurden 2012 insgesamt 4.640 Neuerkrankungen und 1.617 Todesfälle gezählt. Weltweit erkranken jedes Jahr etwa 500.000 Frauen, von denen jede zweite an dem Karzinom stirbt.

rme

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