Medizin

Gestörte Blut-Hirn-Schranke: Möglicher Auslöser für Brain Fog bei Long COVID

  • Montag, 26. Februar 2024
/ pictosmith, stock.adobe.com
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Dublin – Eine gestörte Blut-Hirn-Schranke sowie eine anhaltende systemische Entzündung könnten für den sogenannten Brain Fog bei Personen mit Long COVID verantwortlich sein. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam um Matthew Campbell vom Trinity College Dublin und Colin Doherty vom St James's Hos­pital in Dublin (Nature 2024; DOI: 10.1038/s41593-024-01576-9).

„Zum ersten Mal konnten wir zeigen, dass undichte Blutgefäße im menschlichen Gehirn zusammen mit einem hyperaktiven Immunsystem die Hauptursache für Brain Fog im Zusammenhang mit Long COVID sein können“, erklärte Campbell. Die Blutgefäße werden durchlässiger und können das Gehirn schlechter von Krankheitser­regern, Giften und anderen Substanzen im Blut abschirmen, berichten die Forschenden.

„Wir vermuten, dass die Messung der Integrität der Blut-Hirn-Schranke bei einigen Patienten ein klinisch nütz­licher Biomarker für die mit COVID-19 verbundenen neurologischen Folgen sein könnte“, erklären die Forschenden. Eine gezielte Regulierung der Blut-Hirn-Schranke könnte zudem eine Behandlungsmethode für Personen mit Long COVID darstellen.

Campbell und sein Team hatten bereits in der Anfangsphase der Coronapandemie im März und April 2020 Blutproben von 76 COVID-Patienten des St James's Hospital untersucht. Diese verglichen sie mit 25 Kontroll­seren, die sie bereits vor Beginn der Pandemie entnommen hatten. Sie fanden unter anderem erhöhte Werte des Proteins S100-Beta bei Personen mit Brain Fog, das ein Marker für eine gestörte Blut-Hirn-Schranke ist.

Nun untersuchten die Forschenden 10 gesundete Personen, 11 Personen mit Long COVID, 11 Teilnehmende mit Long COVID und Brain Fog. In einer dynamischen kontrastmittelbasierten Perfusionsmagnetresonanzto­mo­grafie (DCE-MRT) konnten die Forschenden eine signifikant erhöhte Leckage bei den Personen mit Brain Fog feststellen. Es floss also mehr Kontrastmittel in das Hirngewebe außerhalb der Blutkapillaren.

Es zeigten sich auch strukturelle Unterschiede: Die Kohorte mit Brain Fog hatte ein signifikant erhöhtes Liquorvolumen. Zusätzlich hatte diese Kohorte einen verdünnten mittleren Gyrus temporalis medius. Den genauen Mechanismus der Schwächung der Blut-Hirn-Schranke konnten die Forscher noch nicht aufklären.

Campbell, Doherty und Kollegen sind überzeugt, dass Corona nicht die einzige Virusinfektion ist, die auf diese Weise das Gehirn schädigt. „Die Ergebnisse werden nun wahrscheinlich die Art und Weise verändern, wie wir postvirale neurologische Erkrankungen verstehen und behandeln“, sagte Doherty.

In den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass bei vielen neurologischen Erkrankungen – etwa Multipler Sklerose (MS) – wahrscheinlich eine Virusinfektion der auslösende Faktor für die Erkrankung sei, heißt es in der Mitteilung des Trinity Colleges. Welche Rolle die Blut-Hirn-Schranke dabei spielt, wird von dem Studien­team aktuell genauer untersucht.

mim/dpa

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