Politik

Gesundheits­ministerin startet Kampagne gegen Sucht im Alter

  • Freitag, 9. Dezember 2016
Uploaded: 29.01.2013 18:07:54 by mis
/dpa

Düsseldorf – Hinter der Fassade vermeintlich harmloser Schrulligkeiten kann sich auch eine Suchtgeschichte verbergen. Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Bar­bara Steffens (Grüne) will mit einer neuen Kampagne „Stark bleiben“ über Suchtgefah­ren für Se­nioren aufklären. „Suchtprobleme im Alter werden häufig verharmlost und An­zeichen für den Missbrauch von Alkohol oder Medikamenten als Altererscheinung abge­tan“, sag­te Steffens heute in Düsseldorf.

Mit ihrer neuen Kampagne will sie ein Bewusstsein schaffen. Dabei sollen auch Familien­angehörige, Pflegekräfte, Ärzte und Apotheker eingebunden werden. Für Pflegedienste ist ein entsprechendes Fortbildungskonzept erarbeitet worden. Außerdem sieht die Mi­nis­terin hier eine Aufgabe für die soziale Arbeit in den Stadtteilen.

Ein zentraler Auslöser für das Abdriften in die Sucht sei der Wegfall der Arbeit, erklärte Steffens. „Wenn sinnstiftende Aufgaben fehlen – etwas, wofür es sich lohnt, aufzustehen – bricht schnell die Tagesstruktur weg.“ Hinzu kämen nachlassende Vitalität, körperliche Gebrechen, Vereinsamung. Das alte „Malocher-Image“, das das verdiente Feierabend­bier zur Normalität stilisiert habe, trage zur Verharmlosung der Problematik bei, bemerkt die Ministerin.

Steffens wies darauf hin, dass es nicht um Klischee gehe, sondern sozialwissenschaftli­che Milieu-Studien die Probleme belegten. „Da ist die bessergestellte Frau, die mit dem Piccolöchen anfängt und die Frau mit schwächerem sozialen Status muss sehen, wie sie die Familie über Wasser hält. Da ist das Geld für den Piccolo nicht drin.“ Allerdings be­kämen Frauen mit niedrigerem Status sehr viel schneller Schlaf-, Beruhigungs- und Be­täubungsmittel verschrieben.

Oft seien es einfache Zeichen, die nicht richtig gedeutet würden, erklärte Hans-Jürgen Hollmann, Leiter der Koordinierungsstelle Suchtvorbeugung NRW. „Mangelnde Konzen­tration, Schwindel, Appetitverlust, Gesichtsröte, Interessenlosigkeit, Vernachlässigung des Haushalts und des eigenen Äußeren können auf erhöhten Alkoholkonsum hin­wei­sen.“ Er betonte, wichtig seien Trinkpausen. „Wenigstens zwei Tage in der Woche sollten alkoholfrei sein.“ Viele Senioren wüssten zudem nicht, dass der Alkohol in einem älteren Körper stärker wirke und die Verträglichkeit abnehme. Zudem gebe es bei fast allen Medikamenten Wechselwirkungen mit Alkohol. „Und viele Senioren nehmen mehrere Präparate täglich ein.“

Unter den erwachsenen Männern sind die 60- bis 69-Jähri­­­gen am stärksten von riskan­tem Alkoholkonsum betroffen. Fast jeder vierte dieser Alters­gruppe trinkt täglich mindes­tens 20 Gramm reinen Alkohol und trägt damit ein erhöhtes Risiko für zahlreiche Krank­heiten. Das entspricht zwei Gläsern mit jeweils 0,3 Litern Bier oder einem Glas mit 0,1 Liter Wein. Bei den Frauen ist Medikamentenabhängigkeit das größere Problem und für die Außenwelt noch schwerer zu erkennen. In der Damenwelt trinkt jede sechste 50- bis 59-Jährige riskante Mengen Alkohol. Dabei greifen Frauen mit höherem sozialen Status schneller zum Glas.

Landen Senioren nach einem schweren Sturz im Krankenhaus oder machen einen ver­wirr­ten Eindruck, wird das schnell dem Alter zugeschrieben und nicht immer als Folge ei­ner Sucht erkannt. Die eindeutigen Fälle lassen aufhorchen: Die Zahl der 60- bis 65-jäh­rigen Patienten, die aufgrund einer Alkoholvergiftung stationär behandelt werden muss­ten, ist in den vergangenen fünf Jahren in NRW um über 40 Prozent auf fast 1.400 ge­stie­gen.

dpa

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung