Gesundheitspolitik: Was verändert werden müsste

Deutschen Ärzteblatt Interviewserie 18 Expertinnen und Experten
Berlin – Mit Blick auf die Bundestagswahl, das Interesse an und den Stellenwert von Gesundheit durch die Pandemie, stellt sich die Frage: Was müsste eigentlich wirklich im Gesundheitswesen verändert werden? Antworten darauf haben dem
gegeben. Die zentralen Themen der Befragten:
in einer
Weniger Zeitmangel in der Versorgung, mehr medizinische Fachkräfte, Sektorengrenzen überwinden sowie mehr Investitionen in Krankenhäuser und eine bessere Bezahlung in der Pflege. Dies sind nur fünf Forderungen und Wünsche, die als wichtigste Reformbaustellen für eine künftige Regierung identifiziert wurden. Danach folgten die digitale Teilhabe von medizinischem Personal sowie Patientinnen und Patienten, die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und mehr Engagement der Ärzteschaft bei den Auswirkungen des Klimawandels.
Guido Pukies, Hausarzt aus Neuss, fasst es so zusammen: „Aus hausärztlicher Sicht sind alle Probleme Symptome dessen, was ich ‚Arztzeitmangel‘ nenne.“ Dazu zähle der fehlende Nachwuchs, der Wunsch der jüngeren Ärztinnen und Ärzte nach ausgewogenen Arbeitszeiten. Dahinein spielt auch der Mangel an Fachkräften – sei es unter Medizinern, aber besonders in der Pflege sowie bei IT-Fachpersonal, das Kliniken und Praxen bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten unterstützen soll. „Wir brauchen IT-Fachkräfte, um Innovationen durch Digitalisierung in den Krankenhäusern zu ermöglichen. Also müssen wir auch in die Lage versetzt werden, sie angemessen zu bezahlen“, sagt Jörg Noetzel, Medizinvorstand der Mühlenkreiskliniken aus Minden.
Kathrin Leffler, Pflegedirektorin am BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin, fordert, die Leiharbeit in der Pflege müsse verboten oder stark eingeschränkt werden. „Mit der Arbeitnehmerüberlassung in der Pflege lässt sich viel Geld verdienen, hauptsächlich von Firmen, die die Arbeitskräfte vermitteln.“ Für mehr Wertschätzung, gute Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen wirbt auch der Abgeordnete im Europäischen Parlament und Arzt Peter Liese (CDU).
Die Überwindung der Sektorengrenzen als nächstes wichtiges Ziel der Gesundheitspolitik wird von Experten genannt. „Es muss endlich eine wirklich sektorenübergreifende Versorgung etabliert werden“, so Gernot Marx, Intensivmediziner von der Uni Aachen. Eckhard Nagel, Universität Bayreuth, geht einen Schritt weiter: „Eine Vereinfachung des SGB V durch Formulierung eines eigenständigen Kapitels für Menschen mit interdisziplinärem, intersektoralem und interprofessionellem Behandlungsbedarf muss dringend erarbeitet werden.“
Antje Bergmann von der Allgemeinmedizin an der Uni Dresden fordert, dass die „an der medizinischen Versorgung aktiv Beteiligten“ den politischen Diskurs führen müssten. „Gefühlt diskutieren Wortführer und Meinungsbildner statt Ärzte, Wissenschaftler und Versorgende zu essenziellen Themen.“
Digitalisierung kann aus Sicht der Expertinnen und Experten künftig helfen – sofern hier an der richtigen Stellen angesetzt wird. „Die medizinische Dokumentation soll zukünftig im Vordergrund stehen und nicht die Dokumentation für Abrechnungszwecke“, fordert Sylvia Thun von der Charité. Dazu gehören auch entsprechende Standardisierungsprozesse für den Datenaustausch. Um auch technikferne Menschen bei dem Wandel mitzunehmen, plädiert Hausärztin Susanne Springborn aus Wiesbaden für neue Modelle: „Wir sollten dringend ‧eine Digitalisierungsassistenz für technikferne Menschen etablieren.“
Auch der Klimawandel und die Folgen für die Gesundheit spielt künftig eine große Rolle: „Wir brauchen Strategien, wie wir uns an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen. Dazu gehören Hitzeschutzpläne und Frühwarnsysteme“, sagt Claudia Traidl-Hoffmann von der Uni Augsburg.
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