Gewalttaten durch konsequente psychiatrische Behandlungen verhindern

Berlin – Menschen mit sehr schweren psychischen Erkrankungen werden nach Einschätzung von Experten am besten durch konsequente Therapien an der Ausübung von Gewalttaten gehindert. Dafür brauche es eine bessere Versorgungsstruktur für psychiatrische Behandlungen, sagte die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, heute auf dem Jahreskongress in Berlin.
Sie wandte sich gegen eine Gesetzesverschärfung, wie sie zur Zeit in mehreren Bundesländern mit Blick auf Klinikeinweisungen diskutiert werde. „Eine solche würde eher dazu beitragen, die betroffenen Menschen zu stigmatisieren“, so die Expertin. Das habe dann unter Umständen den gegenteiligen Effekt und führe dazu, dass sie sich abgeschreckt fühlten und Hilfsangebote nicht in Anspruch nähmen.
Stattdessen müsse es darum gehen, „Betroffene zu erreichen und für freiwillige Behandlungen zu gewinnen.“ Hier seien etwa der Ausbau von ambulanter, niedrigschwelliger Versorgung und auch aufsuchende Arbeit im Wohnumfeld vonnöten. Bereits bestehende gesetzliche Möglichkeiten müssten konsequent genutzt werden. „Unfreiwillige Unterbringungen und Behandlungen sind nur im Einzelfall nötig und oder sinnvoll“, so Gouzoulis-Mayfrank
Ute Habel, leitende Psychologin an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der RWT Aachen, erklärte: „Die überwiegende Mehrheit der Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden, ist nicht gewalttätig. Aber aggressives Verhalten kann als Symptom vorkommen.“ Dabei hätten Gewalttaten in der Regel keinen einzelnen Auslöser – sie seien multifaktoriell bedingt.
Ein etwa drei bis viermal erhöhtes statistisches Risiko für die Ausübung einer Gewalttat im Vergleich mit gesunden Menschen gebe es bei Patienten mit Schizophrenien oder anderen Psychosen, Substanzkonsumstörungen sowie schweren Persönlichkeitsstörungen, sagte Habel mit Verweis auf schwedische Studien. Ein ähnlich erhöhtes Risiko hätten diese Menschen zudem, selbst Opfer einer Gewalttat zu werden.
Als Risikofaktoren für eine Erkrankung nannte die Professorin Missbrauch von Drogen und eine kriminelle Vorgeschichte vor Ausbruch der Erkrankung, ebenso zählten Traumatisierungen in früher Kindheit wie etwa Missbrauch oder Vernachlässigung dazu. Auch Faktoren wie Armut oder Wohnungslosigkeit spielten eine Rolle. Zudem seien Männer eher gefährdet.
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